1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Altersvorsorge: Altersvorsorge: Wo bleibt die soziale Ader?

Altersvorsorge Altersvorsorge: Wo bleibt die soziale Ader?

Von Klaus-Dieter Kunick 28.01.2017, 11:00
Eberhard Stollberg geht am 1. März 2017 in den Ruhestand. Hier ist er gerade mit Petra Reinsberger im Gespräch.
Eberhard Stollberg geht am 1. März 2017 in den Ruhestand. Hier ist er gerade mit Petra Reinsberger im Gespräch. Peter Lisker

Weissenfels - Die Rente reicht im Alter bei immer mehr Menschen nicht aus. Eine Möglichkeit, dieser Armut entgegenzuwirken ist die betriebliche Altersvorsorge. Doch genau die bieten nicht allzu viele Arbeitgeber in der Region an. Warum ist das so? Warum übernehmen nur wenige Arbeitgeber Verantwortung für ihre Mitarbeiter und sorgen sich um deren Rente?

Rente sei Problem der Arbeitnehmer

„Ganz einfach“, sagt Katrin Jährling, sie ist zertifizierte Fachberaterin für Existenzgründer und Initiatorin des Netzwerkes der Selbstständigen Burgenlandkreis. „Warum sollten sie denn? Es entstehen Kosten, die nicht sein müssen.“ Katrin Jährling: „Welcher Arbeitgeber gibt denn freiwillig Geld ab?“ Die Rente sei schließlich das Problem der Arbeitnehmer.

Mögliches Problem sei fehlende Finanzdecke

„Meiner Meinung nach drückt sich der Staat mehr und mehr vor der Verantwortung, er wälzt die Rente einfach auf andere ab“, fügt sie hinzu. Es werde sich um alle möglichen Sorgen gekümmert, aber die eigenen Leute werden vernachlässigt.

Die fehlende Finanzdecke sei möglicherweise ein Grund, warum gerade im Osten nicht so viele Firmen Altersvorsorge für ihre Arbeitnehmer anbieten, mutmaßt Horst Heller. Er versichert, dass das Thema Altersvorsorge mehr als einmal im Mitteldeutschen Unternehmensnetzwerk Metall-Elektro-Kunststoff, dem mittlerweile 42 Unternehmen angehören, auf der Tagesordnung gestanden habe.

Betriebsrente für stärkere Mitarbeiterbindung

Der Netzwerkkoordinator konnte jedoch auf Anhieb keinen von diesen Betrieben nennen, in denen tatsächlich Betriebsrente entrichtet wird. Wer eine vernünftige Struktur in seinem Unternehmen haben wolle, tue gut daran, solche Überlegungen stärker in den Mittelpunkt zu stellen.

Im Sinne der Mitarbeiterbindung komme doch eigentlich niemand um diese Rente herum. Es sei gut angelegtes Geld, aber es müsse erst erwirtschaftet werden.

Ganz anders geht es im Unternehmen Gehring in Naumburg zu. „Wir haben mit der betrieblichen Altersvorsorge bereits 2001 begonnen“, erklärt Petra Reinsberger.

„Für unsere Mitarbeiter müssen wir etwas tun“, ergänzt die stellvertretende Geschäftsführerin des Naumburger Unternehmens, das in den letzten zwei Jahren 40 Frauen und Männer einstellte, unter anderem Fräser, Schleifer und Monteure. Damals seien es 200 Mark gewesen, die dem Arbeitnehmer zugestanden wurden. Zusätzlich hatte jeder Mitarbeiter die Möglichkeit, Lohnanteile zu wandeln.

Modell der Altersvorsorge wurde gut angenommen

Wer in Rente gehe, der könne auf dieses angesparte Geld zurückgreifen. Aber nicht zuvor. Von den rund 230 Mitarbeitern hätten gut 80 Prozent von der Regelung Gebrauch gemacht. 2012 seien dann von den Mitarbeitern erneut Vorschläge gekommen, neue Verträge in puncto Rentenvorsorge zu vereinbaren. Die bereits bestehende Summe von nunmehr 100 Euro wurde um weitere 50 Euro aufgestockt. Sollte derjenige vorher aus dem Unternehmen ausscheiden, werde das angesparte Geld auf einem Konto verwahrt.

„Es ist geschenktes Geld vom Betrieb. Das ist sehr gut angenommen worden“, so Petra Reinsberger. „Etwas Besseres hätte mir mit der betrieblichen Altersvorsorge nicht passieren können“, sagt Eberhard Stollberg (65), Leiter kontinuierlicher Verbesserungsprozess im Unternehmen Gehring. Er geht am 1. März 2017 in den Ruhestand.

Arbeitnehmer müssen Geld nun versteuern

Doch dieser löblichen Vorgehensweise schob die Bundesregierung 2014 einen Riegel vor: Der Arbeitnehmer muss das Geld nun versteuern. „Das war 2001 noch nicht der Fall“, erwidert Petra Reinsberger. „Das der Staat hier eingegriffen hat, dafür können wir nichts.“

Gesetzlich zur Altersvorsorge verpflichtet sei der Betrieb nicht. „Aber ich denke, wir bringen damit zum Ausdruck, dass wir eine soziale Ader haben“, so die Prokuristin der Firma, die unter anderem Elektroniker, Elektriker und Konstrukteure sucht.

Unternehmen zahlt einige hundert Euro in Pensionsfonds ein

Die betriebliche Altersvorsorge sei von Gehring bewusst gewählt worden, um Fachkräfte an das Unternehmen zu binden. Doch nicht nur Gehring, auch das Weißenfelser Werk von Frischli sorgt vor: „Wir zahlen jährlich für jeden Mitarbeiter einige hundert Euro in einen Pensionsfonds ein“, fügt Betriebsleiter Henner Schumann hinzu.

Lesen Sie am Dienstag, 31. Januar, warum der Deutsche Gewerkschaftsbund eine andere Rentenpolitik will.

Maßnahmen zur Versorgung nach dem Auscheiden aus dem Arbeitsleben

Der Begriff Betriebsrente beschreibt laut der Internetseite Betriebliche Altersvorsorge alle Maßnahmen, die zur betrieblichen Altersvorsorge gehören. Dabei geht es immer darum, dass der Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer eine Zusage zur Versorgung nach dessen Ausscheiden aus dem Arbeitsleben macht. Die im Rahmen der Betriebsrente zugesagte Versorgung kann dabei verschiedene Leistungen beinhalten:

eine klassische Altersrente, die monatlich ausgezahlt wird

Leistungen im Todesfall (Hinterbliebenenschutz)

Leistungen im Falle dauerhafter Erwerbsunfähigkeit (Invalidenrente)

Für die Betriebsrente gibt es seit 1974 ein eigenes Gesetz: Das „Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung“ (kurz: BetrAVG). Das BetrAVG wird auch als Betriebsrentengesetz bezeichnet und regelt in etwas mehr als 30 Paragrafen alle wichtigen Aspekte der Betriebsrente. Für den Arbeitnehmer entstehen durch die Betriebsrente keine Nachteile.

Das Einzige, was er als störend empfinden könnte, ist der Umstand, dass er die Betriebsrente nicht kündigen kann, falls er vorzeitig aus dem Unternehmen ausscheidet. Der Arbeitgeber hat keine Nachteile durch die Betriebsrente zu erwarten.

Weitere Infos unterwww.betriebliche-altersvorsorge24.info/betriebsrente

Immer mehr Rentner sind armutsgefährdet

Laut der in Gütersloh ansässigen Bertelsmann-Stiftung stieg der Anteil der armutsgefährdeten Menschen in Deutschland bei den über 65-jährigen Frauen und Männern von 10,4 Prozent 2006 auf 14,3 Prozent im Jahr 2013.

Viele Menschen müssen komplett von Hartz-IV-Leistungen leben oder der eigene Verdienst reicht nicht aus, andere haben eine magere Rente, arbeiten daher weiter. In einer Artikelfolge geht die MZ der Frage nach: Wie kommen sie zurecht? Die Beiträge widmen sich aber auch dem, was Politik tut.

Wollen Sie über ihre Erfahrungen berichten, dann schreiben Sie uns:

MZ-Lokalredaktion Weißenfels, Markt 7, 06667 Weißenfels

oder per E-Mail an:

[email protected]

(mz)