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Alte Handwerkskunst für neue Räder

Von Holger Zimmer 07.05.2008, 18:43

Uichteritz/MZ. - Günter Sturm hat die alten Maschinen aus dem Elternhaus in der Uichteritzer Mittelgasse in die Werkstatt auf dem Mühlberg geholt. Von 1914 stammen sie und auf ihnen ist zu lesen: Gustav Löwe, Leipzig-Lindenau. Eine Buchsenbohrmaschine gehört dazu. Außerdem lässt sich die Nabe fräsen, lassen sich die Speichenzapfen hobeln und die Löcher dafür bohren. Der 60-Jährige hat hier wieder Neuland beschreiten müssen, als Ende des vergangenen Jahres die Sössener Feuerwehr auf ihn zukam. Sie brauchte zwei neue Räder für ihre einachsige Spritze.

Sturm hat beim Vater gelernt und da war 1966 das Anfertigen eines Wagenrades sein Gesellenstück. Damals allerdings existierten die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften schon und die moderne Technik verdrängte bald die letzten Pferdewagen. Hinzu kam, dass laut gültiger Preisliste ein Rad 26,50 Mark einbrachte und Arbeitszeit sowie Material damit längst nicht beglichen waren. Vielleicht auch deshalb lagern in der alten Werkstatt noch immer Kanthölzer für 1 000 Radspeichen. Günter Sturm verweist auf das Hightech-Zeitalter, das alte Handwerksarbeit aber nicht ersetzen kann. "Räder herzustellen, das ist das eine, das richtige Holz zu verwenden etwas anderes." Für beide Räder habe er Eschenholz genommen, weil das für Wagenräder elastisch genug sei. Man könne allerdings ebenso Eiche verarbeiten. Der Handwerker erzählt von einer solchen Lagerung unter der Dachtraufe der alten Werkstatt, damit das Regenwasser während eines Jahres aus dem Holz die Gerbsäure herausspülen konnte. Dann wurde es ein Jahr an der Luft getrocknet und schließlich auf dem Ofen des Bäckers gelagert.

Und er spricht vom Bohren der konischen Buchsenlöcher. Durch diese drängt es die Räder beim Fahren immer nach innen, so dass sie sich nicht lösen können. Der Bedarf, Wagenräder zu reparieren oder neu anzufertigen, sei in den letzten Jahren immer größer geworden. Im Zusammenhang mit dem Bau von einrädrigen Zier-Schiebekarren habe er sich vor zwei Jahren auch wieder an den Radbau gewagt. Ein Schmied aus Altlöbnitz bei Camburg habe ihm die Stahlreifen auf die Holzfelgen aufgezogen und ihn ermutigt, auf dieser Strecke weiterzumachen. Denn einer der letzten Handwerker der Stellmacherzunft war zwischenzeitlich in Großjena verstorben. Heute ist Günter Sturm froh, dass sein Vater die alten Geräte so in Schuss gehalten hat, dass sie die Jahrzehnte überdauerten.