Abschied von der IHK Abschied von der IHK: Der Macher geht in den Ruhestand

Weißenfels - Wann die ersten Computer in Weißenfels ankamen, weiß Hans-Jürgen Stößer noch heute genau. Es war im August 1990, da machte sich der frischgebackene Chef der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Weißenfels mit seinem Pkw der Marke Lada auf nach Nagold im fernen Schwarzwald. Dass die IHK aus dem Osten zwei Personalcomputer samt Drucker erhalten hat, war der Lokalzeitung damals einen kleinen Text mit Foto wert.
„Heute unvorstellbar, dass jemand von zwei Computern groß Notiz nimmt“, meint Stößer, Jahrgang 1954. Gut 27 Jahre nach seiner Fahrt in den Schwarzwald geht das Urgestein der Weißenfelser IHK nun zum Jahresende in den Ruhestand. Der Zufall will es, dass genau 333 Monate vergangen sind, seit der frühere Roßbacher Bürgermeister die Leitung der neu gegründeten IHK übernommen hat. 333 Monate, von denen Stößer heute sagt: „Es war eine bewegte Zeit.“
BMSR-Mechaniker bildete sich im Westen weiter
Vor allem die ersten Jahre. Da stand nach Jahrzehnten der Planwirtschaft plötzlich die Marktwirtschaft in der Tür. Der gelernte BMSR-Mechaniker bildete sich im Westen weiter, um Unternehmern und Existenzgründern hierzulande zeigen zu können, wie der Hase in den neuen Zeiten läuft. Weil Stößer gern alles dokumentiert, weiß er heute, dass er in all den Jahren ungefähr 5.000 Unternehmensgründungen persönlich begleitet hat.
Die gesamte Geschäftsstelle hat es in der Zeit auf rund 12.000 Existenzgründungen gebracht. Heute weiß Stößer längst: „Marktwirtschaft ohne Vernetzung funktioniert nicht.“ Und Vernetzung hieß zu DDR-Zeiten Beziehungen.
„Wir haben die Ärmel hochgekrempelt und einfach losgelegt“
„Wir haben die Ärmel hochgekrempelt und einfach losgelegt“, so beschreibt Stößer heute die Jahre des Aufbruchs. Und manchmal gab es eben auch einen Dämpfer. Als etwa 1991 das erste Branchenverzeichnis der Region herauskam. Die damalige Deutsche Post sah es als Konkurrenz zu ihren Gelben Seiten und erwirkte, dass ein Teil der Auflage eingestampft werden musste. Und doch sei in den Anfangsjahren vieles unkomplizierter gewesen. „Heute steht vor jeder Entscheidung erst einmal eine Risikoanalyse“, sagt Stößer mit einem leichten Augenzwinkern.
Weil er den Wert einer ordentlichen Vernetzung schnell schätzen gelernt hat, hat Stößer mit dem „Weißenfelser Wirtschaftsstammtisch“ eine Plattform für Unternehmer geschaffen. „Bei Problemen nicht öffentlich übereinander reden, sondern persönlich miteinander sprechen und Lösungen suchen - der Stammtisch ist unser Markenzeichen geworden“, sagt der scheidende Weißenfelser IHK-Chef nicht ohne Stolz.
„Er hat die Wirtschaft im Süden Sachsen-Anhalts ganz entscheidend mitgeprägt.“
Im Laufe der Jahre habe man mit Hartnäckigkeit einiges erreicht. So zum Beispiel unverhältnismäßig hohe Abwasserabgaben für Gewerbe- und Industriebetriebe verhindert. Bei einer bewegenden Verabschiedung des Mannes der ersten Stunde war IHK-Präsidentin Carola Schaar jedenfalls voll des Lobes: „Er hat die Wirtschaft im Süden Sachsen-Anhalts ganz entscheidend mitgeprägt.“
In den vergangenen Wochen war Hans-Jürgen Stößer selbst auf Abschiedstour in zahlreichen Betrieben und Gremien, in denen er in den letzten Jahren mitgewirkt hat. Diese letzte Tour vor Ort war ihm wichtig: „Ich wollte mich verabschieden, wollte nicht verabschiedet werden.“ Mit wachem Auge wird Stößer weiterhin die Entwicklung der Weißenfelser Innenstadt verfolgen. „Es ist einerseits gut, dass so viel gebaut wird. Auf der anderen Seite mache ich mir Sorgen, dass nicht alle Händler und Gewerbetreibende diese schwierige Zeit überstehen“, sagt er. Hier müsse man genau aufpassen, so seine Botschaft an die Heimatstadt.
Langweilig dürfte es dem verheirateten Vater zweier Töchter auch im Ruhestand nicht werden. Dafür werden wohl allein die drei Enkelkinder in der Nähe sorgen. Seit 40 Jahren spielt der Storkauer im Nachbarort Roßbach Volleyball, bei den Roßbacher Musikanten ist er Ehrenmitglied. Und im nächsten Jahr ist eine große Reise geplant: für drei Wochen geht es nach Kanada. (mz)