Siedersleben trifft Pöttinger Siedersleben trifft Pöttinger: Wie vor 154 Jahren alles begann

Bernburg - Der Landmaschinenbau in Bernburg hat eine lange Tradition. Und eine wechselvolle Geschichte. Vor 154 Jahren ist das Werk von Wilhelm Siedersleben gegründet worden, hat Kaiserzeit und zwei Weltkriege überstanden, wurde im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat enteignet und ist heute ein Produzent von Sämaschinen für den Weltmarkt.
Seit 20 Jahren in Familie
Seit 20 Jahren ist es nun Mitglied einer Familie, die fast auf eine genauso lange Tradition zurückblicken kann. 2001 ist der einstige Landmaschinenbau „Saxonia“ von einem Familienunternehmen aus Österreich übernommen worden, das den Begriff „Familie“ immer noch hochhält, wie die Eigentümer selbst betonen.
Irgendwie hat es gepasst, als Pöttinger das Bernburger Werk übernahm.
Pöttinger ist ein Unternehmen im Landmaschinenbau, das nahezu zur gleichen Zeit gegründet wurde, wie das in Bernburg. Nur vier Jahre liegen zwischen den beiden Gründungen.
1952 wurde das Werk enteignet
Das von Wilhelm Siedersleben gegründete Werk hat seit 1867 in Bernburg seinen Sitz. Da startete die Serienproduktion von Sämaschinen. 1952 erfolgte die Enteignung. Der Betrieb wurde verstaatlicht und als VEB Landmaschinenbau Bernburg weitergeführt. Der Markenname „Saxonia“ blieb bestehen und das Werk wuchs bis zur Wiedervereinigung auf 650 Mitarbeiter.
Übernahme nach der Wende
Nach der Wende wurde der Betrieb 1992 vom Rabewerk Bad Essen übernommen und produzierte nun unter marktwirtschaftlichen Bedingungen Sämaschinen. Im Herbst 1999 übernahm Pöttinger 25 Prozent der Anteile des Sätechnik-Werkes. Als das Rabewerk Bad Essen dann 2001 Insolvenz anmelden musste, rettete Pöttinger den Standort Bernburg durch die Komplettübernahme. Mit 35 Mitarbeitern in Bernburg erfolgte ein Neustart und eine steile Entwicklung des Standortes. Heute zählt das Werk in Bernburg mit gut 150 Mitarbeitern zu den größten Arbeitgebern in der Region.
In Grieskirchen, einem Ort in Österreich, begann 1871 mit Franz Pöttinger die 150-jährige Geschichte des Landtechnikunternehmens. Hier startete die Herstellung einer Futterschneidmaschine. Interessanterweise lag der Beginn des Unternehmens jedoch in einer Schlosserei, die der vielseitig begabte Gründer betrieb, ist in den Analen der Geschichte der Familie Pöttinger zu lesen.
Auch als Uhrmacher einen Namen gemacht
Auch als Uhrmacher machte sich Franz Pöttinger einen Namen: Unter anderem fertigte er die Grieskirchner Kirchturmuhr an, die über 100 Jahre gute Dienste leistete. Diese Kirchturmuhr mit Aufziehmechanismus wurde 2015 von Lehrlingen in tausenden Arbeitsstunden restauriert und schmückt aktuell die Kantine im Stammwerk Grieskirchen.
Sicher hätte sich Franz Pöttinger damals nie träumen lassen, dass der Name weltweit in der Herstellung von Landmaschinen bekannt sein wird. Auch das verbindet Siedersleben und Pöttinger.
Für den Bernburger Betrieb, so sagt Betriebsleiter Andreas Lang, sei Pöttinger ein Glücksfall gewesen. Das Potenzial des Bernburger Betriebes sei erkannt worden, sagt Lang, der viele Jahre Produktionsleiter war und seit mittlerweile etwa fünf Jahren Betriebsleiter ist.
„Wir liefern unsere Produkte in alle Welt und entwickeln sie weiter und entwickeln auch neue Produkte“
Seit drei Jahren hat er Prokura, was er als Vertrauen sieht, den das Hauptunternehmen ihm und dem Standort schenkt.
„Wir haben uns hier zu einem Partner entwickelt, der im Unternehmen eine gut Rolle spielt. Wir liefern unsere Produkte in alle Welt und entwickeln sie weiter und entwickeln auch neue Produkte“, so Lang.
Umfangreiche Investitionen für die Zukunft
Es sind umfangreiche Investitionen in den Bernburger Standort geflossen. Mit dem alten Werk ist hier fast nichts mehr zu vergleichen. Und seit dem Abriss der alten Gebäude an der Parkstraße hat die Firma nun auch ein Gesicht. Denn hinter den alten Bauten kaum gar nicht zum Tragen, wie modern sich das Werk jetzt zeigt. „Das hat mich gewurmt. Viele kennen das Werk gar nicht. Nun ist es sichtbar und auch wahrnehmbar“, sagt Lang.
„Es war ein Jahr mit großen Anstrengungen“
Dass das Jubiläum nun in einem Jahr stattfindet, in dem man nicht einmal so ein kleines Jubiläum wie „20 Jahre Pöttinger in Bernburg“ feiern kann, war natürlich nicht absehbar. Doch Feiern kann man nachholen. Arbeiten und produzieren nicht. „Es war ein Jahr mit großen Anstrengungen“, sagt Lang. Kurzarbeit, Schichten verlegen und Homeoffice kennzeichneten den Großteil des Jahres 2020. „Wir haben jetzt in den Büroräumen Luftreinigungssysteme, die für eine hohe Reinhaltung sorgen“, so Lang. Damit auch im Büro wieder halbwegs normal gearbeitet werden kann. (mz)