Urnenfund in Stolberg Urnenfund in Stolberg: Bestatter gesteht Betrug

Stolberg/MZ - Die Aktion verlief unspektakulärer als gedacht: Nach dem Fund von 67 Urnen in einem Fachwerkhaus in Stolberg wollten Polizei und Staatsanwaltschaft eigentlich am Donnerstag im thüringischen Erfurt losschlagen. Am Vormittag sollten die Räume des 56-jährigen Verdächtigen durchsucht und Beweise gesichert werden. Doch das war nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht mehr nötig.
Offenbar vom Aufgebot der Ermittler überrascht, gab der Mann, der eine Seebestattungsfirma in dem Südharzort betrieben hatte, seinen Widerstand auf. „Er hat alle Karten auf den Tisch gelegt und die Taten gestanden“, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Schieweck, der Pressesprecher der Behörde.
Demnach kassierte der 56-Jährige zwar Geld von den Angehörigen der Toten für anonyme Seebestattungen. Er hatte aber wohl nie die Absicht, die vereinbarte Leistung zu erbringen. Es sei ein Gesamtschaden von 15.000 bis 20.000 Euro entstanden. „Der Bestatter muss nun mit einer Anklage wegen gewerbsmäßigen Betruges rechnen“, sagte Schieweck. Bisher hatte der Bestatter, der heute für ein bundesweites Bestattungsunternehmen arbeitet, die Taten abgestritten.
Urnen sollen in den nächsten Tagen bestattet werden
Er behauptete, dass die in Stolberg gefundenen Urnen von Verstorbenen stammen, deren Angehörige die Bestattung zwar beauftragt, aber nie bezahlt hätten. Nun sollen die Toten so schnell wie möglich ihre letzte Ruhe finden. Anja Wöbken, stellvertretende Bürgermeisterin der Gemeinde Südharz, kündigte an, dass die Urnen noch vor Weihnachten aus dem Haus in der Rittergasse geholt werden, wo sie vergangene Woche entdeckt worden waren. Sie würden erstmal „würdevoll von der Gemeinde untergebracht“.
In den neuen Räumen werden sie aber nicht lange bleiben, wenn man dem beschuldigten Bestatter glauben darf. Der ließ nämlich über seinen Rechtsanwalt Wolfgang Koop aus Halle ausrichten, dass die Urnen bereits im Laufe der nächsten Tage auf See bestattet werden. Genauso, wie es mit den Angehörigen der Toten vereinbart gewesen sei und den Vorschriften entspreche. Die Kosten dafür würden von seinem Mandanten getragen und die Bestattungen auch nachgewiesen.
Über den Kopf gewachsen
Koop sagte, der 56-Jährige sei am Boden zerstört. „Die Sache ist ihm über den Kopf gewachsen.“ Der Bestatter stehe zu den Taten und werde auch in einem eventuellen Strafprozess reinen Tisch machen. Die Gefäße mit den Namen sowie Geburts- und Sterbedaten der Toten waren vergangene Woche in dem Fachwerkhaus gefunden worden. Sauber aufgereiht standen die 67 Urnen in einem leeren Zimmer im ersten Stock des Gebäudes. Das Haus gehört der Kommune und steht seit Jahren leer.
Wolfgang Ruland, der Obermeister der Bestatterinnung Sachsen-Anhalt, sprach am Freitag von einem erschreckenden Einzelfall. Der Verdächtige sei aber kein Mitglied der Innung gewesen. Er könne Angehörigen von Verstorbenen nur raten, sich Innungsfirmen oder Betriebe zu suchen, die das Markenzeichen des Bestatterhandwerks tragen: „Dabei muss Qualität nicht teuer sein.“