1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Sangerhausen
  6. >
  7. Über Umwege zum Führerschein: Über Umwege zum Führerschein: Konstantin Hussels kommt nur mit Gutachten ans Steuer

Über Umwege zum Führerschein Über Umwege zum Führerschein: Konstantin Hussels kommt nur mit Gutachten ans Steuer

Von Beate Thomashausen 16.09.2017, 13:00
Konstantin Hussels würde sich gern endlich ans Steuer setzen dürfen. Dieses Auto haben seine Eltern extra für ihn umbauen lassen, damit der junge Mann mobiler unterwegs ist. Aber er braucht noch ein medizinisches Gutachten.
Konstantin Hussels würde sich gern endlich ans Steuer setzen dürfen. Dieses Auto haben seine Eltern extra für ihn umbauen lassen, damit der junge Mann mobiler unterwegs ist. Aber er braucht noch ein medizinisches Gutachten. Maik Schumann

Allstedt - Konstantin Hussels ist 17. Wie für viele Gleichaltrige ist es ihm wichtig, seinen Führerschein zu machen. Und das möglichst schnell. Doch der Weg dahin ist für den Allstedter beschwerlicher als für die meisten seiner Altersgenossen. Denn Konstantin hat seit seiner Geburt unter einer körperlichen Behinderung zu leiden, muss an Krücken durchs Leben gehen.

Nun könnte dies die Geschichte sein von einem, der trotz Behinderung auszog und einfach seinen Führerschein machte. Doch so einfach stellt es sich nicht dar.

Landkreis fordert ärztliches Gutachten mit anschließender Fahr- und Sitzprobe

Der Landkreis untersagte Konstantin nämlich erst einmal, die theoretische Prüfung abzulegen. Stattdessen ordnete er in einem Schreiben ein „ärztliches Gutachten mit anschließender Fahr- und Sitzprobe“ an. Konstantins Mutter, Friederike Hussels, zeigt sich geschockt, empfindet das Schreiben als kaltherzig und ja, auch als diskriminierend.

„Wir waren selbst im Verkehrsamt und haben persönlich vorgesprochen“, erläutert sie. Doch so recht Licht ins Dunkel brachte das Ganze nicht. Ihr Verdacht bleibt: Wird ihrem Jungen aufgrund der körperlichen Behinderung nicht zugetraut, die theoretische Prüfung abzulegen? Denn anders können sich Hussels die Forderung nach einem ärztlichen Gutachten nicht erklären.

Familie Hussels hat ein passendes Auto für ihren körperbehinderten Sohn gefunden

An den körperlichen Voraussetzungen sollte es nicht liegen, finden Friederike und Christian Hussels. Denn ein passendes Auto für ihn haben seine Eltern bereits gefunden und auf seine Bedürfnisse anpassen lassen. Es könnte nun alles ganz schnell gehen, denn Hussels ließen das Auto sogar zum Fahrschulauto umrüsten. Und die Familie stellte sowohl das Auto als auch den Sohn bei der Fahrerlaubnisbehörde vor.

Friederike Hussels meinte, damit an alles gedacht zu haben. „Die Behörde konnte sowohl das Auto als auch unseren Sohn vor Ort begutachten.“ Sie empfindet es erneut als eine von vielen Alltagserfahrungen, dass körperlich behinderten Menschen unterschwellig unterstellt werde, auch geistig behindert zu sein. Dabei hatte sie sogar das letzte Zeugnis ihres Sohnes vom Gymnasium dabei.

Familie Hussels adoptiere Konstantin, der aus einem Kinderheim in Kiew stammt

Dass Friederike Hussels für ihren Sohn, der sie um Haupteslänge überragt, kämpft wie eine Löwin, hat einen besonderen Grund: 2002 adoptierte die Familie den Jungen, der aus einem Kinderheim in Kiew stammt. Konstantin, oder Kostja, wie ihn die Familie liebevoll nennt, hat eine Missbildung der Beine, die auch nicht operiert werden kann, aber mit Prothesen und Krücken kann er flott gehen.

Schon damals, als es darum ging, den Jungen zu adoptieren, kämpften die Hussels, um das überhaupt möglich zu machen. Als kleiner Junge erhielt Konstantin einen Behindertenausweis, der ihn als gehbehindert und als eine Person ausweist, die Hilfe und Begleitung braucht. „Schon an dem Foto auf dem Behindertenausweis sieht man, dass er noch ein Kind war, also in den meisten Situationen begleitet werden musste. So wie jedes Kind“, sagt Friederike Hussels.

Überprüfung der Fahreignung ist laut Landkreis Mansfeld-Südharz ein routinemäßiger Vorgang

Scheint es sich ausschließlich um einen bürokratischen Akt zu handeln? Der nichts damit zu tun hat, dass dem jungen Mann neben seiner körperlichen Beeinträchtigung auch eine geistige Behinderung unterstellt wird?

Die Überprüfung der Fahreignung, sagt Gajowski, sei ein routinemäßiger Vorgang. Der werde eingeleitet, wenn es unklar sei, ob ein Bürger die Anforderungen erfüllen kann, die an einen Autofahrer gestellt werden. Eine körperliche Behinderung mit entsprechender Einschränkung des Bewegungsapparates sei ein solcher Hinweis. Die Fahrerlaubnisbehörde habe dann zu überprüfen, ob die Eignung vorliege – oder eben nicht.

Für Friederike Hussels bleibt dennoch ein ungutes Bauchgefühl - trotz der Erläuterung des Landkreises. Sohn Konstantin sieht es pragmatisch: „Dass ich zum Gutachter muss, ist mir egal. Es muss nur schneller gehen.“ (mz)