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Hilferuf der Waldbesitzer Trockenheit, Corona und Schädlinge - Lage der Forstbetriebe und Wälder ist prekär

Von Helga Koch 14.07.2020, 14:00
Trostlos und erschreckend: Stürme, Borkenkäfer und Trockenheit lassen die Fichtenwälder aus dem Harz verschwinden.
Trostlos und erschreckend: Stürme, Borkenkäfer und Trockenheit lassen die Fichtenwälder aus dem Harz verschwinden. Jörg von Beyme

Sangerhausen - „Wir trauern um unseren Wald“ - als überdimensionale Traueranzeige, Protest und Hilferuf an Politik und Gesellschaft hängt das Banner am Sangerhäuser Bahnhofsvorplatz. „Unsere Aktion machen wir bewusst dezentral“, sagt der Rottleberöder Jörg von Beyme, der sich im Waldbesitzerverband Sachsen-Anhalt engagiert. Denn noch immer fühlen sich die Waldbesitzer von der Politik viel zu sehr allein gelassen. „Wir hoffen auf stärkere Unterstützung durch die Gesellschaft“, ergänzt Eberhard Nothmann. Er ist Vorsitzender des Vereins „Unser Wald“, der beispielsweise öffentliche Baumpflanzaktionen organisiert.

Wie prekär die Lage ist, schildert von Beyme am Beispiel des Forstbetriebs seiner Familie, der 500 Hektar Wald im Südharz bewirtschaftet. „Wir mussten den Mitarbeiter entlassen und die Forstmaschine verkaufen. Durch Verkäufe haben wir 700 Euro eingenommen - im Wirtschaftsjahr!“ Anfang 2018 fegte Orkan Friederike durch die Wälder, dann explodierten die Borkenkäfer-Populationen.

Prekäre Lage der Forstbetriebe: Trockenheit, Corona und Schädlinge

Hinzu kamen extreme Trockenheit und die Corona-Pandemie, die schlagartig die Nachfrage nach Holz einbrechen ließ. Zwei Drittel der Fichtenbestände seien abgestorben; das Holz lasse sich nur noch entsorgen, aber nicht mehr verkaufen, sagt von Beyme. Mit dramatischen Folgen: „Unsere Existenz hängt dran.“ Seine Familie mit drei Kindern lebe „auf Pump“.

Dabei wäre es für die gesamte Gesellschaft und landesweit dringend nötig, all die kahlen Flächen aufzuforsten: gemischt mit Laub- und Nadelbäumen, einheimischen und nicht einheimischen Arten, von denen es künftig mehrere Generationen auf der Fläche geben müsse. Vor allem an den steilen Hängen im Harz sei Eile geboten, sagt der Rottleberöder, dort drohe Erosion, von allein wachse nichts Neues. Einen Hektar aufzuforsten, koste 5.000 bis 20.000 Euro. „Dafür Fördermittel zu beantragen, können wir uns nicht leisten. Man muss nach vier Jahren nachweisen, dass 85 Prozent der Bäume angewachsen sind - oder alles zurückzahlen.“ Das Risiko sei viel zu hoch, der bürokratische Aufwand enorm.

Konjunkturpaket zur Wiederbelebung der Wälder

Erst kürzlich hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) 700 Millionen Euro zusätzlich als Teil des Konjunkturpakets zum Erhalt und für die Wiederbelebung der Wälder angekündigt. Das sei einerseits gut, sagt von Beyme. Doch solle das Geld nicht nach dem Ausmaß der Schäden, sondern nach der Fläche vergeben werden: „Für uns wären das gerade mal 25 Euro je Hektar.“ Dabei hätten sie schon 100 Hektar „Freifläche“, die vielen kleineren Betriebe treffe es viel schlimmer.

„Wir wollen den Menschen und der Politik deutlich machen“, sagt Nothmann, „wie wichtig der Wald für uns als Gesellschaft ist“. Etwa, um Kohlendioxid zu binden und für saubere Luft zu sorgen, Wasser zu speichern und Holz zu liefern, für Artenreichtum, das Klima und zur Erholung. „Vor einem Jahr haben wir den Verein ’Unser Wald’ gegründet. Damals waren wir 14 Mitglieder, jetzt sind wir schon 100“, sagt der Obersdorfer zuversichtlich. (mz)

Jörg von Beyme, Sabine Künzel, Eberhard Nothmann und Sandra Bürger (v.l.) fordern mehr Unterstützung von der Politik gegen das Waldsterben.
Jörg von Beyme, Sabine Künzel, Eberhard Nothmann und Sandra Bürger (v.l.) fordern mehr Unterstützung von der Politik gegen das Waldsterben.
Koch