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Therapie Therapie: Der Kampf um Anerkennung

Von Anke Losack 21.08.2012, 17:19

Sotterhausen/MZ. - Toni fühlt sich verfolgt. Er hört Stimmen, dreht sich um. Da ist niemand. Also arbeitet der 25-jährige gelernte Holzbildhauer weiter. Die Skulptur, die er schnitzt, soll fertig werden. Der Erwartungsdruck, den er bei der Arbeit an sich selbst stellt, ist groß. Er hält ihn nur unter Aufputschmitteln aus. Haschisch, Marihuana, chemische Drogen - von allem etwas. Und von Tag zu Tag mehr.

Er lebt in einer Welt aus Wahnvorstellungen, Depressionen, psychosomatischen Störungen. Die Drogen spielen ein Spiel mit seinem Geist. Und sie zerfressen ihn körperlich. Er hält es nicht mehr aus, meldet sich schließlich freiwillig zur stationären Therapie.

Am 5. März kam Toni Nowak nach Sotterhausen auf den Therapiehof. Dort muss es wohl Schicksal gewesen sein, dass Günter Müller (58) vom Volkskunst- und Heimatverein Südharz auf ihn aufmerksam wurde, ihn als talentierten Holz-Künstler wahrnahm und ihm das gab, was Toni Nowak zuvor nie erhalten hatte: Anerkennung für seine künstlerische Arbeit.

Der Erfolgsdruck in der Schule und später die Tatsache, dass er mit seiner Ausbildung als Holzbildhauer keine Anstellung fand, ließen ihn im Drogensumpf versinken. Er war arbeitslos, schnitzte während dieser Zeit Tag und Nacht Skulpturen. Auf dem Arbeitsamt habe man ihm gesagt, er sei nicht vermittelbar. Anträge auf eine Umschulung wurden abgelehnt - "ich fühlte mich komplett verloren, allein gelassen", sagt Toni Nowak.

Günter Müller hat Tonis Leben wieder lebenswert gemacht. Im Juni dieses Jahres nahm Müller den jungen Mann mit nach Hohlstedt zum Kettensägenschnitzertreffen. Dort durfte Toni vor 1 200 Zuschauern sein Können beweisen. Müllers Ahnung, dass der 25-Jährige was drauf hat, bestätigte sich. "Er sah den Eschestamm und wenige Minuten später wusste er, was er daraus schnitzt", meint Müller.

Aus dem Stamm wurde ein Selbstporträt: ein nachdenklicher Mann. "Der bin ich auch", sagt Toni, "ich denke nach, was ich mir und anderen durch den Drogenkonsum angetan habe." Mehrfach wurde Toni während seiner sechsmonatigen Therapie von Günter Müller zum Holzschnitzen abgeholt. Zwei seiner Freunde vom Therapiehof durfte er mitnehmen.

Sie sollten dem Verein helfen, die geschnitzten Figuren zu imprägnieren. Als Dank stellte der Verein Tonis Figur dem Therapiehof zur Verfügung. "Durch die Zeit mit Herrn Müller habe ich mich als Persönlichkeit wiedererkannt", sagt Toni, "ich stehe in seiner Schuld. Ich habe nie zuvor die Erfahrung gemacht, dass mich jemand unterstützt."

Für Toni Nowak hat diese Woche in Leipzig die dreimonatige Adaption (Eingliederung) begonnen. Angst, rückfällig zu werden, hat er dennoch. "Wenn Toni Probleme hat, kann er sich bei mir oder meiner Tochter melden. Sie wohnt in Leipzig", sagt Müller. "Aber es brennt mir viel mehr unter den Fingernägeln, wieder zu arbeiten", sagt Toni.