Suchtberatung in Sangerhausen Suchtberatung in Sangerhausen: "Drobs" bietet neues Programm für Alkoholabhängige an

Sangerhausen - Kontrolliert trinken? Geht das überhaupt, wenn man wahrscheinlich bereits alkoholabhängig ist? Thomas Köhler von der Suchtberatungsstelle „drobs Mansfeld-Südharz“ meint ja. Er findet: „Wenn jemand süchtig ist und seinen Konsum zumindest drosseln möchte, ist das ja schon einmal ein Anfang.“
Es sei in gewisser Weise eine Schadensminimierung, so Köhler, der in der Suchtberatungsstelle mit Klienten und Angehörigen spricht, Vorbereitungskurse zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung anbietet und Abhängige mit Akupunktur behandelt, um ihnen den Entzug zu erleichtern. Die Möglichkeit, erst mal Schadensbegrenzung in puncto Alkohol und Drogen zu betreiben, bietet die Sangerhäuser Beratungsstelle seit März mit dem Programm „Kontrolliert trinken“ an.
Seit März bietet Suchtberatung das Programm „Kontrolliert trinken“ an
Köhler hat sich als Coach in dieser Methode ausbilden lassen. Akzeptierende Suchtarbeit nennt er das. „Ich kann einem Erwachsenen nichts verbieten, noch nicht einmal, sich selbst zu zerstören“, sagt der Therapeut. Ist das Resignation? „Nein, nur eine Tatsache. Ich kann Hilfe nur anbieten.
Ob sie angenommen wird, ist eine andere Sache“, sagt Köhler. Und kontrolliertes Trinken sei ein solches Angebot, das eventuell Menschen erreicht, die zwar erkannt haben, dass sie offenbar ein Problem haben, aber nicht ganz vom Alkohol lassen wollen oder noch nicht können. Denn Köhler verheimlicht auch nicht, dass er es für sehr sinnvoll hält, ganz abstinent zu leben, wenn man suchtkrank ist. Und das kontrollierte Trinken könne für manchen ein Meilenstein auf dem Weg in die Abstinenz sein.
Rein statistisch gesehen war der typische Klient der Suchtberatungsstelle „drobs Mansfeld-Südharz“ im vergangenen Jahr männlich, zwischen 18 und 35 Jahren alt, bezog Arbeitslosengeld II und hatte ein Alkoholproblem.
Insgesamt suchten im vergangenen Jahr 603 Personen die Beratungsstellen in Sangerhausen, Eisleben und Hettstedt auf. Davon waren 490 Betroffene und 113 Angehörige.
Das Hauptproblem ist nach wie vor der Alkohol. 258 Personen, die von der Suchtberatungsstelle betreut werden, haben ein Problem mit Alkohol. Hinzu kommen 26 Heroinabhängige, 110 Crystalabhängige, 66 Cannabiskonsumenten und 13 Personen, die als pathologische Glücksspieler eingestuft werden. Keine Rolle spielte im vorigen Jahr die Medikamentenabhängigkeit.
Laut Statistik des vergangenen Jahres zieht sich das Alkoholproblem durch alle Altersklassen. Signifikante Unterschiede gibt es bei den illegalen Drogen. Hier sind vorrangig Menschen unter 45 Jahren betroffen, obwohl es auch ältere Abhängige gibt.
Wer von illegalen Drogen abhängig ist, steht zumeist nicht in einem festen Arbeitsverhältnis (19,8 Prozent), sondern bezieht ALG II (54,3 Prozent). Alkohol und fester Job treffen häufiger aufeinander (36,8 Prozent). Von den Alkoholabhängigen, die im vergangenen Jahr von der Beratungsstelle betreut wurden, bezogen 41,6 Prozent ALG II.
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr in den Beratungsstellen des Landkreises - sie befinden sich in Sangerhausen, Eisleben und Hettstedt - 282 Erstkontakte geknüpft und 2.421 Einzelgespräche geführt. Unter anderem wurden auch 113 Angehörige von Suchtkranken betreut. Allein in Sangerhausen waren es 1.276 Einzelgespräche, 95 Erstkontakte und 38 Angehörige, die betreut wurden.
Kontrolliertes Trinken sei jedoch nicht für jeden Menschen die richtige Methode. Da gebe es durchaus Einschränkungen. „Jemandem, der bereits abstinent lebt und meint so doch wieder Alkohol trinken zu können, würde ich dringend abraten und ihm vor Augen führen, was er bereits geschafft hat. Kontraindikationen sind aber auch psychische Erkrankungen.“ Auf jeden Fall werde in einem Vorgespräch ermittelt, ob der Betreffende denn überhaupt in der Lage ist, sich an dem Programm zu beteiligen.
Klient soll Trinktagebuch führen
In der Praxis sieht das so aus, dass der Klient dazu animiert wird, ein Trinktagebuch zu führen. Los geht es mit der Aufnahme des Ist-Zustandes: Wie viel zu welcher Stunde genau getrunken wird, auch mit wem und aus welchem Grund. Da würde dann also beispielsweise stehen: 18 bis 24 Uhr, fünf Bier mit Freunden. Falls es sich dabei um halbe Liter gehandelt hat, nahm diese Person 100 Gramm Alkohol zu sich. Das ist die fünffache Alkoholmenge von dem, was als risikoarmer Konsum eingeschätzt wird.
Köhler: „Eine Trinkmenge von 24 bis 60 Gramm Alkohol am Tag wird als riskanter und über 60 Gramm als gefährlicher Konsum angesehen, gefährlich mit Blick auf die Gesundheit des Trinkenden. Denn Alkohol ist schließlich ein Zellgift. Es gibt keinen risikofreien Konsum.“
Klienten, die kontrolliert trinken, leben häufig schließlich gänzlich abstinent
Wenn der Betroffene einen Ist-Zustand festgehalten hat, beginnt die Arbeit erst so richtig. „Wer sich am Programm des kontrollierten Trinkens beteiligen möchte, hat ja die Absicht, seinen Alkoholkonsum zumindest einzuschränken.
Also legt der Klient nun fest, was er in der nächsten Woche verändern will. Einen abstinenten Tag einlegen beispielsweise oder nur noch nach einer bestimmten Uhrzeit. Oder jemand will die Trinkmenge reduzieren. Wichtig ist, dass die Ziele realistisch und erreichbar sind.“ Es werde auch darüber gesprochen, wenn es zu einem „Ausrutscher“ kommt und was man dem Alkoholkonsum in Zukunft entgegenstellen möchte.
Schließlich ist es gar nicht so einfach, Nein zum Alkohol zu sagen, der einem überall im Alltag begegnet. Herausgestellt habe sich, so Köhler, dass bis zu einem Drittel der Klienten, die zunächst kontrolliert trinken, schließlich gänzlich abstinent leben. Und das sei doch ein Erfolg. (mz)