So werden Feldhamster gezählt So werden Feldhamster gezählt: Wie viele Nager gibt es tatsächlich im Industriepark?

Sangerhausen - Wie viele Hamster gibt es tatsächlich im Industriepark Mitteldeutschland (IPM)? Diese Frage stellen sich viele Sangerhäuser. Erst recht, nachdem am Standort des neuen Mifa-Werks rund 100 Hamster vermutet, aber nur zwei gefunden wurden.
Wie kann das sein? - fragte die MZ den Diplom-Biologen und Feldhamster-Fachmann Ubbo Mammen vom Büro Ökotop aus Halle. Er war Anfang 2016 selbst dabei, als auf der neuen Mifa-Fläche die Hamster ausgegraben wurden. Dass man die meisten nicht gefunden hat, ist für ihn nicht verwunderlich.
Wurden Dutzende Hamster nicht gefunden und unter Mifa-Werk begraben?
„Für das Ausgraben hatten wir die GPS-Koordinaten der festgestellten Baue bekommen“, berichtet er. Die Eingangslöcher selbst waren nicht mehr zu sehen, denn der Landwirt hatte den Acker im Herbst umgebrochen.
Mit den Koordinaten konnte man zwar den Punkt finden, an dem die Röhre liegt. „Aber so eine Fallröhre geht achtzig Zentimeter in die Tiefe und biegt dann zur Seite ab“, sagt Mammen. Die Kammer, in die sich der Hamster zum Winterschlaf gelegt hat, könne also durchaus zwei Meter abseits der Röhre liegen. Das Buddeln glich damit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Mit dem Bagger konnte man nicht in die Tiefe graben, dann hätte man die Tiere gleich zerquetscht. Und um mit dem Handspaten in bis zu zwei Meter Tiefe den Umkreis von 20 Röhren komplett abzusuchen, hätte man „die chinesische Variante“ gebraucht: Ganz viele Leute mit ganz vielen Spaten - und kaum noch bezahlbar.
Mammen geht davon aus, dass Dutzende Hamster in ihren unterirdischen Höhlen einfach nicht gefunden wurden. Und jetzt unter der Beton-Bodenplatte des neuen Mifa-Werks begraben liegen.
Zwanzig Baue auf zwei Hektar waren damals gefunden und auf 100 Baue auf zehn Hektar hochgerechnet worden. Macht bei einem Hamster pro Bau 100 Tiere - geschätzt. „Es kann sein, dass nur 60 auf der Fläche lebten, vielleicht waren es aber auch 140“, sagt Mammen.
Experte Ubbo Mammen hält Ausgrung der Hamster im Winter für falsch
Sein Büro hatte die Mifa-Fläche damals nicht untersucht. Prinzipiell könne man Feldhamsterbaue aber sehr gut feststellen, sagt Mammen. Am Eingang der Fallröhre sei zu erkennen, ob der Bau belaufen sei. Und der Fachmann könne ihn eindeutig von den Behausungen anderer Tiere wie Mäuse oder Wühlratten unterscheiden.
„Für so ein Gutachten wird man auch pauschal bezahlt und nicht nach der Zahl der gefundenen Röhren“, sagt Mammen. Er hält das Ausgraben im Winter prinzipiell für falsch. Die Hamster im Herbst mit Fallen zu fangen sei nicht nur erfolgreicher, sondern auch deutlich kostengünstiger. Mammen hat sich damals aber trotzdem für einen Mifa-Kompromiss eingesetzt, weil man Naturschutz nicht von den Interessen des Menschen trennen könne. „Was haben wir davon, wenn wir mit voller Härte auf Recht und Gesetz bestehen und dann sind in Sangerhausen 500 Familien von Mifa-Mitarbeitern gegen den Hamster?“, nennt er sein Argument von damals.
Die Erlaubnis zum Ausgraben habe auch die Möglichkeit mit abgedeckt, dass bis zu 100 Hamster das nicht überleben. Dabei hat Sangerhausen ein Stück Geschichte geschrieben. Im Zusammenhang mit dem Feldhamster sei eine Ausnahme in dieser Größenordnung EU-weit noch nie zuvor ausgesprochen worden, so Mammen.
Westlich von Sangerhausen, wo auch die IPM-Fläche liegt, ließ nicht nur die Stadt Hamstergutachten anfertigen. Das Gelände dort gehört zu den Monitoring-Flächen des Landes und des Bundes, in denen der Feldhamsterbestand untersucht und alle sechs Jahre an die EU gemeldet werden muss.
Ubbo Mammen schätzt Zahl der Hamster auf Industriepark-Fläche auf 500 bis 1.000
Mammens Büro Ökotop hat auf dem Gelände mehrfach Hamsterbaue gesucht. Er selbst hat die „Querfurter Methode“ mit entwickelt, nach der auch das Landes- und Bundesmonitoring laufen. Dabei geht man Streifen ab und hält links und rechts bis zu 3,50 Meter weit Ausschau nach Bauen. Untersucht wird dabei nur ein Fünftel der Fläche - aber eben nicht in einer Ecke konzentriert, sondern über das gesamte Gelände verteilt.
Die Zahl der Nager schwankt ständig - abhängig von der Witterung und von dem, was der Landwirt gerade anbaut.
Auf eine grobe Schätzung für den geplanten Industriepark legt Mammen sich aber fest: „Man kann jedes Jahr neu zählen und man würde immer auf eine Zahl zwischen 500 und 1.000 kommen.“ (mz)