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Holocaust-Projekt gegen das Vergessen Sangerhäuser Jugendliche begeben sich entlang der Stolpersteine auf Spurensuche

Von Konrad Schröter Aktualisiert: 19.06.2021, 11:42
Sina Weise
Sina Weise (Foto: Konrad Schröter)

Sangerhausen - Treffpunkt: Sangerhäuser Bahnhof. Sina Weise, 16 Jahre alt, zeigt auf die Tafeln des Projekts „Ich vergesse dich nicht“ im Eingangsbereich. Darauf zu sehen sind Bilder von einem Besuch in der Gedenkstätte KZ Mittelbau-Dora, Erklärungen zum Holocaust oder Sprüche wie „Die Freiheit war so nah und doch so fern.“

Sina Weise: „Ich verstehe nicht, warum die Menschen früher so etwas gemacht haben“

„Die Aktion ist hauptsächlich für Jugendliche gedacht“, erklärt Sina Weise. Die Schülerin vom Geschwister-Scholl-Gymnasium Sangerhausen hat die Wanderausstellung mitgestaltet, die vom Kreis-Kinder- und Jugendring Mansfeld-Südharz organisiert wurde. Hier ist auch ein QR-Code für die kostenlose App „Actionbound“ zu finden, mit der ein Stadtrundgang zu den Wahrzeichen und 17 Stolpersteinen der Stadt Sangerhausen gestartet werden kann.

Die Stolpersteine wurden zwischen 2012 und 2015 als Erinnerungsstätten vor die ehemaligen Wohnhäuser der Holocaust-Opfer gelegt. Erste Station des Rundgangs ist das Rathaus. An der Nordseite hängt eine steinerne Gedenktafel von 1995, die an die verfolgten, vertriebenen und umgebrachten jüdischen Einwohner erinnert. Sina tritt näher heran. „Ich verstehe nicht, warum die Menschen früher so etwas gemacht haben“, sagt sie. Auf dem Alten Markt befindet sich der Stolperstein für Edith Große, Jahrgang 1926. 1936 wurde sie in die Heilanstalt Uchtspringe gebracht, vier Jahre später in Brandenburg ermordet.

Stolpersteine in Sangerhausen als Orte des Erinnerns

Vor der Marienkirche befindet sich der Stolperstein für Paul Beck, etwas versteckt zwischen den Pflastersteinen. Paul Beck war KPD-Mitglied und arbeitete für die Parteizeitung. Er wurde deshalb ab 1933 mehrmals verhaftet und im Februar 1940 im Zuchthaus Kassel-Wehlheiden ermordet. Hier spricht Sina Weise darüber, dass die Stolpersteine nicht unumstritten seien. Was ist ihre Meinung dazu? „Ich finde die Stolpersteine wichtig als Gedenkorte. Und sie tun doch niemandem weh, der sich nicht dafür interessiert“, sagt sie. „Die Stolpersteine sind das Einzige was wir haben, um die Verbrechen sichtbar zu machen“, erklärt Projektleiter Jürgen Frenzel später am Telefon. Mit der Stadttour und der App sollen auch die Geschichten dahinter vermittelt werden.

In der Göpenstraße, Hausnummer 10, befindet sich der Gedenkstein von Adele Hampel. Sie betrieb dort mit ihrem Mann Paul ein Spielwarengeschäft, wurde aber im September 1942 ins Ghetto Theresienstadt gebracht. Dort starb sie zwei Monate später. Der Name „Hampel“ ist auch heute noch auf dem Haus zu sehen. Eine weitere Station ist die Mammuthalle. Doch hier findet sich kein Gedenkstein. „Wir wollten in die Tour auch Elemente einbauen, die kurzzeitig auf andere Gedanken bringen“, erklärt Jürgen Frenzel. Die Mammuthalle ist als Sangerhäuser Wahrzeichen Teil des Rundgangs, ebenso das Spengler-Museum und Café Kolditz.

Der Stolperstein für Alban Hess
Der Stolperstein für Alban Hess
(Foto: Konrad Schröter)

Holocaust und die Stolpersteine als Thema in der Schule?

Die vorletzten Stolpersteine befinden sich vor dem ehemaligen Haus von Therese Meyerstein und ihrem Sohn Erhard in der Kylischen Straße 9. Beide wurden im September 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, überlebten aber glücklicherweise und kamen nach der Befreiung nach Sangerhausen zurück. Therese starb hier 1946, Erhard 1982.

Auf dem Weg zum letzten Stolperstein erklärt Sina, was sie am Projekt begeistert hat. „Wir wollten herausfinden, wie wir alles in Zukunft besser machen können“, erklärt die 16-Jährige. Sie würde sich freuen, wenn diese Tour auch in der Schule Thema wäre.

Der letzte Stein befindet sich ebenfalls in der Kylischen Straße, Hausnummer 31: Alban Hess. In Sangerhausen ist eine Straße ist nach ihm benannt. Der Buchhändler war Mitglied der Bekennenden Kirche und Gegner des Nationalsozialismus. Deshalb wurde er mehrfach verhaftet und 1944 nach Buchenwald gebracht. Er konnte befreit werden und starb 1970 in Sangerhausen.

›› Weitere Informationen gibt es auf stolpern-msh.de. (mz)