Sangerhausen Sangerhausen: Puppendoktor kommt zu letzter Sprechstunde
Sangerhausen/MZ. - Hier liegt ein einzelnes Bein, dort ein abgerissener Arm und auf dem Tisch steht eine Kiste voller Augen mit langen Wimpern. Doch das ist nicht etwa ein Szenario im neuesten Horrorfilm. Vielmehr ist Sprechstunde bei Puppendoktor "Dr. med. pup." Günter Geier. "Das Gute ist", erklärt er, "hier läuft alles ganz unblutig ab."
Günter Geier macht seit Donnertag Station am E-Center im Helmepark in Sangerhausen. Seine Praxis, den großen, pinkfarbenen "Puppendoktor-Truck", kann man dabei gar nicht übersehen. Unterstützt wird er diesmal von seiner Frau Ute. "Wir konnten uns schon denken, dass hier in Sangerhausen sehr viel los sein wird. Deswegen habe ich heute frei und helfe, so gut ich kann", erklärte sie.
In der Zwischenzeit stehen die Patienten mit ihren Besitzern Schlange. Eine besorgte "Puppenmutti" ist Renate Kämmerer. Sie legt die Einzelteile ihrer Puppe sorgsam auf den "OP-Tisch" von Geier. "Ich glaube, die Gute ist ganz einfach altersschwach geworden", mutmaßt die Seniorin. "Meine Mutter erzählte mir früher, dass ich die Puppe zum dritten Geburtstag von meiner Oma geschenkt bekam. Sie ist also schon über 70 Jahre alt und saß immer in meiner Sofaecke. Irgendwann konnte man die Arme und Beine nicht mehr bewegen. Dann fielen ganz plötzlich die Gliedmaßen ab."
Auch Brigitte Völkmann kam mit "zwei schweren Patienten", wie sie selbst sagt. Eine der beiden ebenfalls mehr als 70 Jahre alten Puppen hatte einen Riss quer über das Gesicht. "Wahrscheinlich habe ich sie als Kind mal fallengelassen", so Völkmann. Aber Puppendoktor Geier macht Mut. "Wir kriegen das schon wieder hin."
Der Puppendoktor, der sein Handwerk mittlerweile schon seit 52 Jahren ausübt, erklärt nur ganz selten eine Puppe für unheilbar. "Natürlich gibt es sehr schwierige Fälle, aber ich bin ja Doktor, kein Friedhof. Einige der Puppen erfordern viel Bastelarbeit."
Und so macht er sich mit seinem Operationsbesteck - Pinzetten, Scheren, Zangen, Feilen - an die Arbeit, abgerissene Arme, Beine und Köpfe wieder an die Puppenkörper zu setzen.
Auf die Puppe gekommen ist Geier schon in seiner Kindheit. "Ich hatte fünf Schwestern, die alle Puppen hatten. Sie haben aber viel lieber mit meiner Eisenbahn gespielt, da habe ich mich eben mit den Puppen beschäftigt. Das ist eine echte Leidenschaft geworden."
Doch mit 72 Jahren denkt "Dr. med. pup." Geier ans Aufhören. Das Problem? Er hat keinen Nachfolger. "Schade", meint er. "Der Beruf ist einfach viel zu unbekannt. Trotzdem habe ich mehr als genug zu tun", sagt er und deutet auf die unzähligen Puppen, die noch vor seinem wohlverdienten Ruhestand auf ihre "Operation" warten.
Der Puppendoktor behandelt Freitag und Sonnabend noch von 9 bis 18 Uhr vor dem E-Center im Helmepark Sanger-hausen.