Sangerhausen Sangerhausen: Die große Verunsicherung
SANGERHAUSEN/MZ. - "Es ist bei uns fast wie in einem Callcenter. Ich habe nur Anfragen wegen Taubert", sagte die Servicemitarbeiterin einer Kasse, die ihren Namen aber nicht in der Zeitung lesen will. Hauptsorge vieler Patienten sei das Geld. Denn Taubert hätte zum Beispiel die Gebühren, die Patienten für verordnete Massagen bezahlen müssen, im Voraus gefordert. Patienten befürchten nun, dass das Geld weg ist und sie bei einem neuen Anbieter erneut zur Kasse gebeten werden.
Doch diese Angst ist offenbar unbegründet. Eine Mitarbeiterin des Gesundheitszentrum sicherte auf Anfrage der MZ zu, dass Gebühren, die zu viel berechnet wurden, den Patienten selbstverständlich erstattet werden. "Wir wollen uns nicht bereichern", sagte sie.
Von der Geschäftsführung des Gesundheitszentrums war trotz mehrfacher Versuche am Montag aber niemand zu erreichen. Inhaber Jens Taubert hatte am Freitag von einer existenzbedrohenden Gefährdung seines Unternehmens gesprochen. Er wolle gegen die Entscheidung der Krankenkassen Widerspruch einlegen. Er sei zuvor nicht angehört worden. Taubert hatte gleichzeitig eine ausführliche Stellungnahme für Mittwoch dieser Woche angekündigt. In seinem Unternehmen, das über Niederlassungen in Sangerhausen, Eisleben und Querfurt verfügt, sind insgesamt 86 Mitarbeiter beschäftigt. Hintergrund: Die gesetzlichen Krankenkassen in Sachsen-Anhalt hatten am Freitag die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitszentrum mit sofortiger Wirkung beendet. Begründet wurde dies mit den laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen die Firma: Die Staatsanwaltschaft Halle wirft dem Anbieter für Ergo- und Physiotherapie sowie ambulante Rehabilitation Abrechnungsbetrug vor. Seit Januar 2005 sollen nicht erbrachte Leistungen bei den Krankenkassen in Rechnung gestellt worden sein. Den Kassen ist ein Schaden im oberen fünfstelligen Bereich entstanden, sagte Staatsanwältin Heike Geyer der MZ. Eine Anklage in dem Fall werde voraussichtlich bis Jahresende vorliegen. Ralf Dralle, designierter Vorstand der AOK Sachsen-Anhalt, betonte, man habe mit der Kündigung verhindern wollen, dass Gelder der Versicherten missbraucht werden und dem Anbieter deshalb alle Zulassungen entzogen. Zuvor hatten alle betroffenen Krankenkassen nach Angaben des AOK-Pressesprechers Andreas Arnsfeld Einsicht in die Ermittlungsakten gehabt.
Die Patienten müssen sich nun neue Physiotherapieeinrichtungen suchen, zum Teil auch im weiteren Umland. So gibt es offenbar nur in Bad Frankenhausen, Nordhausen oder Halle Anbieter von ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen, die Taubert auch durchführte.
Die AOK bat Versicherte am Montag, sich bei Unklarheiten über ihre weitere Behandlung an die Kundenberater in den Geschäftsstellen ihrer Krankenkasse zu wenden. Auskünfte gebe es auch an den Telefon-Hotlines der jeweiligen Kassen.