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Sangerhausen Sangerhausen: Buchhandlung schließt nach 65 Jahren

Von Helga Koch 29.08.2012, 12:15

Sangerhausen/MZ. - "Die Entscheidung ist am 3. August nach einem Gespräch mit einem Rechtsanwalt gefallen", sagt Inhaberin Susan Reinhardt. "Er hat mir geraten, so schnell wie möglich zu schließen." Denn zunehmend hatte die Buchhandlung mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. "Der Umsatz war viel niedriger als erhofft." Ihre beiden Angestellten habe sie deshalb bereits im März entlassen müssen, sagt die 25-Jährige. Ihren Lebensunterhalt habe sie trotzdem nur noch mit Hilfe ihrer Eltern decken können, denn sie muss noch einen Kredit der Investbank zurück- und Mietschulden bezahlen.

"Vor zwei Jahren, als ich das Geschäft von Karla Tentrup-Klein übernommen habe, gab es so viele Geschenke und gute Wünsche", schaut die Holdenstedterin ein wenig wehmütig zurück. Und erzählt ganz offen, dass sie viele schlaflose Nächte in den zurückliegenden Monaten hatte und dass manche Träne geflossen ist. Leicht habe sie sich die Entscheidung nicht gemacht und viel gegrübelt, ob und wie es weitergehen könnte. Denn Bücher sind nun mal ihr Leben. Nun hoffe sie, dass sie nicht auch noch Privat-Insolvenz anmelden muss.

Auf dem Fußweg vorm Geschäft steht ein Aufsteller, Plakate hängen im Schaufenster. Vieles wird mit Rabatt verkauft: Postkarten, Hörbücher, Reiseführer, Wanderkarten. "Wer noch einen Gutschein hat, sollte ihn umgehend einlösen", sagt Reinhardt. Natürlich liegen auch die bestellten Schulbücher, sofern sie bereits lieferbar waren, zum Abholen bereit. "Am liebsten wäre mir's, wenn kein Buch mehr übrig bliebe, wenn ich hier den Schlüssel abgebe." Aber auch die bunt gestrichenen Holzpaletten, die Regale, der handgewebte Bücher-Wandteppich oder das Deko-Material vom Osterschmuck bis zum beleuchteten künstlichen Weihnachtsbäumchen sind zu haben. Genau wie der Harry-Potter-Zauberhut oder die drei Eulen, von denen ein meterhohes, geschnitztes Exemplar als Markenzeichen im Eingangsbereich steht. "Wir haben schon vieles aus dem Keller nach oben geholt. Es muss ja alles raus", sagt die Buchhändlerin.

Am 9. September läuft der Mietvertrag aus. "Immerhin, zwei Jahre habe ich dann ja doch geschafft", sagt die Chefin und klingt ein kleines bisschen stolz - trotz der Misere. Schließlich hat sie in dieser Zeit kaum etwas unversucht gelassen, um Kunden zu gewinnen. Sie hat - wie auch schon ihre Vorgängerin - Lesenächte veranstaltet, Autorenlesungen angeboten, Lesewettbewerbe für Kinder unterstützt, Bücher in Einrichtungen wie dem Krankenhaus oder im Mehrgenerationenhaus vorgestellt. "Zu meiner letzten Aktion, einem Lesetag für drei Generationen, war überhaupt niemand da. Sangerhausen ist schon manchmal ein schwieriges Pflaster."

Einer, dem das Ende des Geschäftes mit Sicherheit sehr nahe geht, ist der langjährige Inhaber Wolfgang Steffen. Er hatte die Buchhandlung von ihrem Gründer Alban Heß übernommen und fast ein Vierteljahrhundert lang geführt. "Er war vorige Woche hier und ist schon ziemlich traurig, dass es jetzt mit der Buchhandlung St. Michael vorbei ist." Im Moment, sagt Susan Reinhardt, habe sie noch so viel zu tun und zu erledigen, dass sie kaum zum Nachdenken kommt. "Das geht sicher erst richtig los, wenn das hier vorbei ist." Ein paar Bewerbungen habe sie inzwischen schon geschrieben. "Irgendwas wird sich ergeben."