1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Sangerhausen
  6. >
  7. Musik als Hobby: Musik als Hobby: Vollblut-Diskotheker wird nicht ruhiger

Musik als Hobby Musik als Hobby: Vollblut-Diskotheker wird nicht ruhiger

Von Antje Seilkopf 05.04.2002, 16:55

Sangerhausen/MZ. - "Örny" hat den Namen Klaus-Dieter Lindau nur der Ordnung halber im Ausweis stehen. Als Örny kennt den Vollblut-Diskotheker und -Organisator hierzulande schließlich beinahe jeder. Und in diesem Jahr hat er gleich drei Gründe zum Feiern: 50. Geburtstag, 30. Diskotheker-Jubiläum und das 20. Fest am Bergmannstag in der Ostsiedlung.

Vor 30 Jahren veranstaltete der gelernte Kfz-Mechaniker mit Bruder "Bubu", alias Holger Lindau, die erste Diskothek im Speiseraum der Feilenfabrik. Hunderte Diskos folgten - und wenn es nach ihm ginge, würde es noch lange noch nicht leiser. Die ersten Boxen wurden selbst gebaut, der Röhrenverstärker Typ Kölleda besorgt, Karton bemalt - und los ging es 1972 mit Musik vom Band. Jeder Titel wurde genannt, zwischendurch ein lockerer Spruch geklopft, ein Witz erzählt. Das und das richtige Händchen für die passende Musik machten die Abende aus, bei denen junge Leute rockten, dabei erste zarte Liebesbande knüpften oder die Trauer um gerissene abtanzten.

Getanzt wurde nach Mitschnitten von Radiosendungen wie der "Soldatensender". Auf Dauer sahen sich das die staatlichen Institutionen jedoch nicht tatenlos an - 1973 wurden Diskotheken politisiert. Nun konnte nicht mehr jeder dahergelaufene Musikfreund auch Musik machen. Diskotheker wurden geschult, hatten die 60 : 40-Klausel einzuhalten (60 Prozent alle Musikstücke pro Abend mussten aus der DDR kommen) und machten aller zwei Jahr eine Einstufung, mit der die Spielstufe und damit die Honorarhöhe festgelegt wurde.

Die Einstufungen von Örny und Bubu sind nahezu legendär: So flog Örny mit Sturzhelm als Fliegerkosmonaut ein oder schwebte mit einem fliegenden Teppich auf die Bühne des Kulturhauses. Es flogen Torten und Pfeile. In einem selbst gedrehten Film wurde gar mit Hilfe von Keulen und Bärenfellen dargestellt, wie der Dritte sich freut, als Zwei sich streiten. Die Mischung aus Klamauk und sich selber Auf-die-Schippe-nehmen begeisterte immer wieder Jury wie Publikum, das die Einstufungen feierte.

Eine wurde sofort abgebrochen, da sich die Brüder mit T-Shirts hinter ihren Musiktresen gewagt hatten, die Sterne der amerikanischen Flagge zeigten. "Dabei waren wir auf die Shirts so stolz", erzählt Örny, der als Diskotheker-Fossil sein Publikum nun wieder verstärkt an Oldieabenden findet.

Geld hat er bei alledem nie groß verdient. Statt dessen beginnt er mit wahrer Blumenkind-Mentalität immer wieder was Neues. Was treibt ihn, sich bis heute um die Jugend der Stadt und die mageren Angebote für ihre Freizeit zu sorgen? Sich mit der Finanzierung der dritten Rocknacht in der Walkmühle herumzuschlagen? Örny findet das normal - nur eben nicht für einen Städter: "Auf dem Dorf gibt es immer einen, der Feuerwehr, Karneval und Kirmes organisiert." Was er sich im Jahr seiner Jubiläen wünscht? "Noch viele Jahre Disko machen und jungen Bands helfen."