Multiple Sklerose Multiple Sklerose: Gunter Spitzbarth wird für sein außergewöhnliches Engagement geehrt

Sangerhausen - Wenn Gunter Spitzbarth redet, dann sieht man in seinen Augen den Schalk, den er im Nacken sitzen hat. Viele Wörter sprudeln aus seinem Mund, ein unfreundliches oder schlecht gelauntes ist nicht dabei. Gunter Spitzbarth ist eine Frohnatur. Und das trotz einer Situation, um die den 62-Jährigen keiner beneidet.
Helga Spitzbarth leidet an der unheilbaren Nervenkrankheit Multiple Sklerose
Seine Frau Helga leidet an Multipler Sklerose, einer unheilbaren Nervenkrankheit. Und ihr Mann Gunter pflegt sie seit über 30 Jahren. Dafür wurde er vergangene Woche in Berlin mit dem Preis der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft ausgezeichnet.
„Das erlebt man nur einmal“, sagt er und meint die Veranstaltung in der Friedrichstraße in Berlin. „Man kann sich austauschen mit anderen, die die gleichen Probleme haben, da findet man schnell Zugang.“ Kein Wunder, dass die Gruppe bis 3 Uhr in der Früh beisammen saß. Und er denkt auch an die warmen Worte vom ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der Schirmherr der Multiple-Sklerose-Stiftung ist.
Gunter Spitzbarth tut, was er kann, um seiner Frau das Leben zu erleichtern
Seine Frau konnte ihn nicht nach Berlin begleiten, sie ist an den Rollstuhl angewiesen und hätte im Liegen nach Berlin gefahren werden müssen. In Gedanken war sie natürlich vor Ort. „Ich bin voll auf ihn angewiesen, ohne ihn geht es nicht.“ Was noch geht, ist das Einkaufen.
Sie fährt durch den Supermarkt, die Hilfe, die sie braucht, bekommt sie. „Das ist das Schöne. Ich kann fragen, wen ich will, es wird mir geholfen“, sagt sie mit zitternder Stimme. Das Sprechen fällt ihr zuweilen schwer. Ihren zweiten wöchentlichen Termin, den bei der Sparkasse, kann sie mittlerweile nicht mehr wahrnehmen. „Leider ist der Sparkassenbus nicht behindertengerecht.“
Dem entgegen steht das Haus der Spitzbarths. Hier hat Mann Gunter, der in seiner Freizeit leidenschaftlich gern bastelt und Holzfiguren kreiert, all seine handwerklichen Fähigkeiten walten lassen, um den Alltag für seine Frau erträglicher zu machen. „Wir müssten den Lift an der Terrasse mal wieder neu machen, der schneidet schon in die Fliesen ein“, sagt er.
Urkunde für „jahrelange aufopfernde Pflege seiner an MS erkrankten Ehefrau
Zu tun ist immer etwas. Auf die Konstruktion am kleinen Pool im Garten ist er ein wenig stolz. „Da war vor einiger Zeit sogar eine Frau von außerhalb da, um sie sich anzugucken.“ Die Türen mussten verbreitert werden für den elektrischen Rollstuhl, einige Geräte angeschafft werden. „Zum Glück wurde das auch gefördert vom Sozialamt und vom Land“, sagt Helga Spitzbarth. Ohne diese Hilfe könnte sie nicht mehr in ihrem Haus leben.
Helga Spitzbarth erkrankte Anfang der 80er an Multipler Sklerose. „Ich habe zu Beginn Doppelbilder gesehen und hatte Schwierigkeiten beim Laufen“, sagt sie rückblickend. Sowohl der Augenarzt als auch der konsultierte Orthopäde wussten sich nicht zu helfen. Erst ein Neurologe in Bernburg stellte nach einer Nervenwasseruntersuchung die Diagnose.
„MS ist die Krankheit der 1.000 Gesichter“, sagt sie. „Manche haben kaum Symptome, andere sind blind, es ist ganz unterschiedlich.“ Bei ihr lassen die Kräfte in den Muskeln nach, durch die Cortison-Behandlung in der DDR werden die Knochen zunehmend instabiler.
„Die Ursachen für diese Krankheit sind nach wie vor nicht ganz geklärt“, sagt sie. „Fest steht nur, dass es immer einen schweren Auslöser geben muss“, ergänzt ihr Mann Gunter Spitzbarth. „Eine Geburt beispielsweise.“
Schätzungen zufolge gibt es hierzulande zwischen 68.000 und 138.000 Erkrankte. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Dorthin kommen jeden Tag auch Pflegeschwestern, die Gunter Spitzbarth bei der Pflege seiner Frau helfen. „Ich bereite das Essen vor und auch den Schwestern helfe ich“, sagt er. Es ist ein Vollzeitjob, für den er nun ausgezeichnet wurde. „Das ist eine tolle Anerkennung. Das gilt auch für die gesamte MS-Gruppe in Sangerhausen.“ Auf der Urkunde, die er nicht ohne Stolz vorzeigt, steht es ziemlich treffend geschrieben: Dort ist von „jahrelanger aufopfernder Pflege seiner an MS erkrankten Ehefrau“ die Rede.
„Als ich auf der Bühne stand dort oben, da gingen mir Tausende von Gedanken durch den Kopf. Das war sehr emotional“, sagt Spitzbarth. „Aber auch ziemlich schnell vorbei. Der Moderator musste ja auch weitermachen“, sagt er humorig, wie es eben seine Art ist. Und Berlin? „Ja, das war natürlich ein Erlebnis, mal durch das Brandenburger Tor zu gehen.“ Sogar eine Postkarte haben er und sein Sohn, der ihn begleitet hat, geschickt. „Viele liebe Grüße Mama“, stand darauf. (mz)