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Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Ein Bild von einer Kuh

Von BEATE THOMASHAUSEN 13.05.2011, 16:22

BEYERNAUMBURG/MZ. - Es muht lauter als sonst aus den Ställen. Jede Menge Männer in Latzhosen eilen geschäftig auf dem Hof des Agrarbetriebs hin und her. Eine Hand voll Leute wendet sich einer einzelnen Kuh zu, die an einer Stallwand steht und am Halfter gehalten wird. Der Kuhfotograf ist da. Und die ganze Aufmerksamkeit gilt einer zweijährigen Kuh. Sie trägt die Nummer 12 658 auf ihrer Ohrmarke und ist der Star unter den 200 Milchkühen im Agrarbetrieb Beyernaumburg. Die Kuh ist eine Tochter von Goldboy. Und zwar eine der schönsten, deshalb soll sie im neuen Katalog des Rinderzuchtverbandes Sachsen-Anhalt gezeigt werden. Denn bei Rindern definiert sich der Wert des Vaters über die Qualität der Töchter.

Die großen Kuhaugen und der schöne Augenaufschlag sind es natürlich nicht, worauf die Rinderzüchter Wert legen. Da geht es schon unromantischer zu. Aber immerhin, auf die Beine wird geschaut. Ansonsten stehen Gesundheit und Leistung im Vordergrund. "Zum Beispiel ist die Zellzahl in der Milch ein wichtiges Kriterium", erklärt Zuchtinspektor Henning Lüdecke. Die Zellzahl muss gering sein, denn in der Milch soll kein Gewebe zu finden sein.

Und auch wenn man manche positive Eigenschaft von Nummer 12 658 auf dem Foto gar nicht zeigen kann, soll sie natürlich bildhübsch aussehen. Eine Stunde lang schrubbten Pflegerin Jana Weber und Praktikant Michael Ruppe den Star mit Fitwasser, Bürste und Lappen. Die Feinarbeit erledigten dann die Profis vom Rinderzuchtverband. Christian Busse trimmte das Fell der Kuh, sprich er verpasste ihren vier schönen Beinen eine Rasur. Uwe Burghardt schnitt noch die Haare in den Ohren und brachte auch die Kopfbehaarung in Form. Ein Schmankerl hat der Kuhfotograf Wilhelm Lemm noch bereit. Er hat eine wunderbare Kuhschwanzattrappe an Bord seines Autos. Das helle, gelockte Haar zierte einst einen Bullen. Jetzt dient das goldene Haar als Haarverlängerung für Kuhmodells. Fasziniert schaute Michael Ruppe den Kuh-Coiffeuren bei der Arbeit zu. So viel Aufwand für ein einziges Bild.

Bulle Goldboy rechtfertigt jeden Aufwand, findet Inspektor Lüdecke. Die Züchter sollen sich im neuen Katalog des Rinderzuchtverbandes Sachsen-Anhalt zeugungsfähige männliche Rinder so aussuchen können, dass ihre Anlagen jeweils zu der Kuh passen, die tragend werden soll. Anhand der genomischen Werte, Informationen über Körperbau und Bildern, die von den Töchtern der Kandidaten zu sehen sind, lässt sich eine Auswahl treffen. Dann wird das Sperma bestellt und der Besamungstechniker kann sich an die Arbeit machen, denn die Zeiten als die Kuh zum Bullen gebracht wurde, sind vorbei. Das wertvolle Sperma wird tief gefroren verschickt. Bulle und Kuh lernen sich nie kennen.

Während die Frisöre noch ihr Werk tun, wird ein Stück Wiese gleich hinterm Stall mit dem Rasenmäher bearbeitet. Im Hintergrund Beyernaumburger Landschaft allerdings mit bleischwerem, statt blauem Himmel. Dieses Problem wird aber nicht vor Ort, sondern später am Computer gelöst. Auch ein Podest wird gebaut und mit dem Grasschnitt umgeben. Der tierische Star soll nicht im hohen Gras posen müssen. Schließlich sollen im Katalog die schönen Beine bis zum Huf zu sehen sein. Dafür, dass die Kuh nicht irgendwohin sondern hübsch geradeaus guckt, ist der Zuchtinspektor selbst zuständig. Er muss seine Talente als Kuhflüsterer unter Beweis stellen. Ununterbrochen brummt und muht er, um die Aufmerksamkeit des Tieres auf sich zu lenken, während die anderen Mitarbeiter das Tier in die richtige Position dirigieren. Jedes Bein soll zu sehen sein.

Seit 1980 fotografiert Wilhelm Lemm Kühe. "Zur Not knipse ich auch mal was anderes wie die Familie oder Konfirmationen", sagt Lemm verschmitzt. Eigentlich hat er Landwirtschaft studiert. In der Studentenzeit half er gemeinsam mit zwei Kommilitonen einem Kuhfotografen, der eigens aus den USA eingeflogen worden war. "Bei einem Kasten Bier haben wir drei Landwirtschaftsstudenten beschlossen, dass wir auch Kühe fotografieren können und gründeten kurzerhand unsere eigene Firma: KeLeKi", erzählt Lemm. In der Zwischenzeit hat KeLeKi schon 46 000 Kühe fotografiert. Deshalb weiß Lemm, dass der Termin in Beyernaumburg wie ein Länderspiel lief. "Die Kuh war erstklassig vorbereitet. Sie hat sich nicht gegen das Halfter gewehrt und war absolut geduldig", lobte Lemm. Da hat er schon ganz andere Sachen erlebt. Als das Foto im Kasten ist, gestattet Lemm den Beyernaumburgern gleich einen ersten Blick auf das Kunstwerk. Jana Weber nickt zufrieden, aber nun muss Nummer 12 658 endlich gemolken werden.