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Für einen Praxisbesuch nach Düsseldorf Mangel in MSH verschärft sich: Warum viele Sangerhäuser verzweifelt einen Hausarzt suchen

Auf die Schnelle in Mansfeld-Südharz einen Hausarzt zu finden, ist momentan ein Ding der Unmöglichkeit. Welche Erfahrungen haben Sie auf der Suche nach einem Hausarzt gesammelt? Schreiben Sie uns Ihre Erlebnisse rund um das Thema Hausarzt per Mail an [email protected].

Von Frank Schedwill 01.02.2022, 07:00
Auch Oma Anni (101 Jahre) hat große Mühe einen Hausarzt zu finden. Schwiegerenkelin Anett Tomaschko kümmert sich mit ihrem Mann um die betagte Dame.
Auch Oma Anni (101 Jahre) hat große Mühe einen Hausarzt zu finden. Schwiegerenkelin Anett Tomaschko kümmert sich mit ihrem Mann um die betagte Dame. (Foto: Maik Schumann)

Sangerhausen/MZ - Elfriede und Hans-Peter Hain sind verzweifelt. In ihrer Not haben sie nun sogar Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angeschrieben und um Hilfe gebeten. Denn ab Ende März werden die 81-Jährige und ihr zwei Jahre älterer Mann wie viele andere Sangerhäuser höchstwahrscheinlich ohne Hausarzt dastehen: Ihre langjährige Hausärztin Angelika Herzog, bei der sie fast 20 Jahre in Behandlung waren, will dann in den Ruhestand gehen.

Senioren finden keinen neuen Hausarzt

Die beiden Senioren fragen sich nun, wo sie sich künftig untersuchen lassen können und wo sie vor allem die Rezepte für die Medikamente bekommen, die beide wegen verschiedener Erkrankungen benötigen. „Seit Monaten haben wir versucht, einen neuen Hausarzt zu finden. Wir haben zig Versuche unternommen, Ärzte angeschrieben, in den Hausarztpraxen vorgesprochen, aber nur Absagen erhalten. Die Schwestern gucken einen nur mitleidig an“, sagt Elfriede Hain. Die Ärzte seien alle überlastet. „Niemand will uns aufnehmen.“

Eine Erfahrung, die viele der bisherigen Patienten von Frau Herzog gemacht haben. So berichtet die 87-jährige Roswitha Wäldchen ebenfalls von einer ergebnislosen Suche. „Alle Hausärzte in Sangerhausen habe ich abgegrast“, sagt sie. „Erfolg gleich null.“ Zum Teil sei sie von den Schwestern der anderen Praxen regelrecht abgekanzelt worden, da diese aufgrund der vielen Patientenanrufe genervt seien.

Für den Arztbesuch bis nach Düsseldorf

Wäldchens Enkelin Anett Tomaschko erzählt noch von der Großmutter ihres Mannes: Die 101-Jährige lebt seit April vergangenen Jahres bei ihr in Sangerhausen. Da hier kein Hausarzt für die Hochbetagte zu finden war, fahren Tomaschko und ihr Mann die Seniorin nun ins knapp 400 Kilometer entfernte Düsseldorf, wo sie früher wohnte, wenn Arztbesuche anstehen. Dort werde sie anstandslos behandelt.

Da ihr Mann öfter in Düsseldorf beruflich zu tun habe, gehe das, sagt Tomaschko. „Ein Zustand kann das aber nicht sein. Denn gibt es kurzfristig gesundheitliche Probleme, müssen wir auf die Notaufnahme des Krankenhauses ausweichen.“ Die sei ohnehin überlastet.

Rund 1.000 Patienten pro Quartal

Für Angelika Herzog und andere Ärzte, die jetzt oder in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, ist es schwer, bei der derzeitigen Situation „einen guten Rückzug zu finden“, wie sie sagt. Sie wolle ihre Patienten nicht allein lassen. „Ich bin aber 63,5 Jahre alt und merke, dass die Leistungsfähigkeit nachlässt.“ Deshalb habe sie sich entschieden, in den Ruhestand zu gehen. „Es ist ein schöner, aber auch sehr verantwortungsvoller Beruf. Ich will keine Fehler machen.“ Und: Eigentlich sei der Ruhestand bereits für 2021 geplant gewesen.

Rund 1.000 Männer und Frauen hat die Ärztin pro Quartal in ihrer Praxis in der Heymannstraße behandelt. Sie habe immer wieder versucht, einen Nachfolger zu finden, in anderen Bundesländern annonciert, Kontakt mit der Uni Halle gesucht, zwei, drei Interessenten sogar die Räume gezeigt - „ohne Erfolg“.

Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt hofft auf Lösung

Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt (KV) kennt das Problem: Sie ist zuständig, eine „ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten“ zu gewährleisten. „Wir betrachten die Entwicklung der hausärztlichen Situation in und um Sangerhausen mit großer Sorge“, sagt Sprecherin Heike Liensdorf.

Die KV suche über Anzeigen bundesweit im Deutschen Ärzteblatt, im Ärzteblatt Thüringen und über ihre Praxisbörse dringend nach einem Nachfolger. Außerdem stehe die KV mit einem „Leistungserbringer aus der Region“ im Gespräch, ob gegebenenfalls von diesem ein Arzt oder eine Ärztin für eine hausärztliche Tätigkeit gewonnen werden können, betont die Sprecherin.

Förderung für die Gründung einer Praxis

Diese werde finanziell gefördert. Um die ausgeschriebene Sicherstellungspraxis zu besetzen, werde eine Mindestumsatzgarantie gewährt. Eine Praxis im Stadtgebiet von Sangerhausen zu gründen oder fortzuführen könne mit bis zu 30.000 Euro gefördert, die Anstellung einer Hausärztin oder eines Hausarztes mit bis zu 10.000 Euro. „Obwohl wir leicht positiv zu bewertende Gespräche führen konnten, können wir noch nicht absehen, ob unsere Bemühungen Erfolg haben werden.“

Bereits im Dezember hatte die KV mitgeteilt, dass im Sangerhäuser Raum sich rein rechnerisch 11,5 Hausärzte niederlassen könnten, ohne eine bestehende Praxis übernehmen zu müssen. Aufgrund der Situation habe der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine „drohende Unterversorgung festgestellt“.

Zur Frage, was Patienten konkret machen sollen, wenn sie keinen Hausarzt finden, erklärt die Selbstverwaltungsorganisation: Patienten könnten über die Arztsuche auf der Internetseite der KV abgleichen, ob sie alle Hausärzte der näheren Umgebung abgefragt haben und auf weiter entfernte Hausärzte ausweichen.

Auf der Warteliste

Elfriede und Hans-Peter Hain stehen nun bei einem Hausarzt in Oberröblingen auf der Warteliste. Sie hoffen, dass der sie aufnehmen wird - obwohl sie wegen des Weges durchaus Bedenken haben. Wenn man früh zum Beispiel nüchtern zur Blutabnahme kommen müsse, könne man eigentlich nicht erst durch die Weltgeschichte fahren. „Wir wären aber froh, überhaupt einen Arzt zu haben.“

Die Arztsuche der KV im Internet: www.kvsa.de oder https://arztinfo.kvsa.de/ases-kvsa/ases.jsf

Welche Erfahrungen haben Sie, liebe Leser, gesammelt?

Auf die Schnelle in Mansfeld-Südharz einen Hausarzt zu finden, ist momentan ein Ding der Unmöglichkeit. Die angespannte Situation wird noch dadurch verschärft, dass weitere, langgediente Hausärzte der Region in dem Alter sind, in dem der Ruhestand quasi vor der Tür steht.

Da ist guter Rat für viele Patienten teuer. Die MZ möchte von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wissen, ob sie ebenfalls schon vor der Situation gestanden haben, sich einen neuen Hausarzt suchen zu müssen. Ist es Ihnen gelungen - und wie? Welche Erfahrungen haben Sie auf der Suche nach einem Hausarzt gesammelt? Wie oft wurden Sie abgelehnt? Müssen Sie möglicherweise aktuell ohne Hausarzt auskommen?

Wie regeln Sie das, wenn Sie krank sind oder Medikamente benötigen? Fragen über Fragen, von denen wir hoffen, dass Sie sie uns beantworten. Schreiben Sie uns Ihre Erlebnisse rund um das Thema Hausarzt auf und schicken es per Post an die MZ-Lokalredaktion, Grauengasse 1c, 06526 Sangerhausen oder per Mail an [email protected].