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Hohe Linde  Hohe Linde : Autor erklimmt den Gipfel der Sangerhäuser Schachthalde

Von Lucas Wölbing 29.05.2016, 15:00
Tausend Haldenkletterer haben sich am Wochenende auf den Weg gemacht, um den Hang der Sangerhäuser Schachthalde zu erklimmen.
Tausend Haldenkletterer haben sich am Wochenende auf den Weg gemacht, um den Hang der Sangerhäuser Schachthalde zu erklimmen. Maik Schumann

Sangerhausen - Ganz oben in luftiger Höhe weht ein erfrischender Wind. Ein vereinzelter Busch behauptet sich auf dem Gestein, auf der Böschung sind weiße Blütentupfer zu erkennen.

Doch für Michael Laschke ist das alles noch weit entfernt. Gerade erst hat der Berliner den Hang zur Sangerhäuser Schachthalde „Hohe Linde“ betreten und wie fast tausend andere Wagemutige hat er einen Plan: Den 145 Meter hohen Riesen bezwingen.

Er macht sich an den Aufstieg, die beiden Wanderstöcke hält er fest in der Hand. „Ich habe im Internet gelesen, dass es keine schlechte Idee wäre, die mitzubringen“, sagt er. „Aber eigentlich stören die nur.“

Etwa auf halber Höhe beschreibt Laschkes Hand in der Luft einen Kreis: „Dort: Die Betonflächen und die Hallen - das war die Mafa“, erklärt er mit Blick auf Sangerhausen.

Fast beiläufig erwähnt er, warum er gerade dieses Gelände von der Halde aus betrachten will. Es gibt familiäre Beziehungen zur alten Maschinenfabrik.

Der Name Julius Hornung fällt, einst Unternehmensgründer und Stadtrat zur Jahrhundertwende. „Das war mein Urgroßvater“, klärt schließlich Laschkes Frau Bärbel auf, die am Fuß der „Hohen Linde“ zurückgeblieben ist.

Ihr Mann Michael ist Professor für Wirtschaftsgeschichte, hat vorher im Thüringer Kalibergbau gearbeitet und später zur Geschichte des früheren Familienunternehmens geforscht.

Sangerhäuser kennen ihn wohl vor allem durch seine Bücher über die Mafa und das genossenschaftliche Wohnen in der Stadt.

„Der Urgroßvater meiner Frau war hier ein bedeutender Mann“, sagt er. „Seine Familie hat hier die Wirtschaft durch Zuckerrüben und seine Mafa angekurbelt.“

Doch das ist heute unwichtig, meint Laschke: „Im Mittelpunkt steht die Halde.“ Sein Weg führt weiter über aufgeschüttetes Gestein - 34 Jahre Bergbau haben mit der „Hohen Linde“ ein eindrucksvolles Zeugnis hinterlassen.

"Eine Erfahrung fürs Leben"

Irgendwann brechen die gespannten Sicherheitsseile ab. Laschke und mit ihm Dutzend andere klettern über die letzten Holzreste alter Gleisanlagen. Eine Frau läuft vorbei und spricht den Berliner an: „Ich will es heute zweimal hoch schaffen“, sagt sie und ist auch schon wieder verschwunden.

„Ich freue mich ja, dass ich wenigstens einmal im Leben so etwas ausprobiere“, meint Laschke nur lächelnd. Dann bückt er sich nach einem Stein: „Der ist mir gleich ins Auge gefallen.“

Kein Kupferschiefer und erst recht kein Salzkristall, weiß er, eher eine Mischung aus Vielem, die wohl durch Zufall auf der Halde gelandet ist.

Für den Berliner ist das alles ein wenig fremd, gibt er zu. Ständig lobt er, wie Grün hier ringsherum die Wälder sind und lässt sich gern auf Gespräche mit den Einheimischen ein. „Ich habe in Roßleben gelernt“, erzählt Laschke.

„Ich wollte gern Bergmann werden. Für Jungen meiner Generation war das etwas Besonderes.“

Endlich angekommen auf einem Gipfel, der höher liegt als die Spitze der Cheops-Pyramide, trifft er auf Männer, die zu den letzten ihrer Art gehören: Bergmänner in schwarzer Uniform, die noch immer von der Geschichte ihrer Heimat schwärmen.

Eine Haldenbesteigung gibt es zweimal im Jahr, erzählen sie, und hoffen, dass sich dadurch die Bevölkerung an den Kupferbergbau Mansfelds erinnert.

Für Michael Laschke ist die Aussicht jedenfalls atemberaubend: „Endlich sehe ich Dörfer, die ich nur vom Erzählen kenne“, meint er, während sich hinter ihm noch Dutzende nach oben bewegen - manche nicht zum ersten Mal an diesem Tag. „Das ist eine Erfahrung fürs Leben“, findet der Berliner. (mz)

Tausend Haldenkletterer haben sich am Wochenende auf den Weg gemacht, um den Hang der Sangerhäuser Schachthalde zu erklimmen.
Tausend Haldenkletterer haben sich am Wochenende auf den Weg gemacht, um den Hang der Sangerhäuser Schachthalde zu erklimmen.
Maik Schumann