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Hausbrand in Wippra Hausbrand in Wippra: Nachbar Sebastian Hahn schildert den dramatischen Abend

Von Grit Pommer 10.12.2016, 07:00
Nachbar Sebastian Hahn zeigt auf das Haus, in dem es brannte. Er half als Erster vor Ort. Nach einer Nacht im Krankenhaus konnte er wieder heim.
Nachbar Sebastian Hahn zeigt auf das Haus, in dem es brannte. Er half als Erster vor Ort. Nach einer Nacht im Krankenhaus konnte er wieder heim. Kandel

Wippra - Diesen Abend des 7. Dezember wird Sebastian Hahn nicht so schnell vergessen. „Ich saß auf der Couch und meine Frau wollte gerade den Kleinen ins Bett bringen. Auf einmal gab es Geschrei im Flur“, erzählt der 32-Jährige. Im Haus stand die Nachbarin, kaum zu erkennen, mit vollkommen rußgeschwärztem Gesicht. Verzweifelt rief sie um Hilfe. Im Dachgeschoss ihres Hauses im Grillenberger Weg brannte es und die Familie konnte den 87-jährigen Großvater nicht finden.

Siebenjährige rettet sich mit Sprung aus Giebelfenster auf Terrasse

„Ich bin sofort mit rübergerannt“, erzählt Hahn. Die siebenjährige Tochter der Familie hatte sich da schon mit einem Sprung aus dem Giebelfenster hinunter auf die Terrasse gerettet. Der Rauch war vom Brandherd aus, der in einem anderen Zimmer im Dachgeschoss lag, durch den ganzen Flur in das Zimmer gezogen, in dem sich das Mädchen befand.

Sebastian Hahn rannte mehrfach die Treppe hinauf, um den vermissten 87-Jährigen zu suchen. „Vor dem Raum gleich rechts, aus dem der Rauch kam, habe ich immer die Luft angehalten“, erzählt er. Und nachdenklich meint er: „Wenn da nicht noch jemand im Haus gewesen wäre, ich wäre da bestimmt nicht reingegangen.“

Der Männerchor in Wippra lädt am Sonntag, dem 11. Dezember, um 16.30 Uhr zu seinem traditionellen Weihnachtskonzert am dritten Advent in die St. Marienkirche ein. Angesichts des Brandunglücks im Grillenberger Weg haben die Mitglieder kurzentschlossen festgelegt, dass der Erlös an die betroffene Familie gespendet wird. Es lohnt sich also, diesmal besonders großzügig zu sein. (pom)

Die größeren Söhne der Familie, 13 und 17 Jahre alt, schleppten unterdessen Schüsseln mit Wasser ins Obergeschoss, um das Feuer zu löschen. Sebastian Hahn ließ sich eine Taschenlampe geben, suchte erneut die Räume ab.

Die Badezimmertür ließ sich nicht aufschieben, er vermutete, dass der vermisste Mann dahinter lag, schaffte es aber nicht, an ihn heranzukommen. Erst die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr, die inzwischen eingetroffen waren, konnten den Verletzten schließlich bergen.

„Die Mädchen haben wir erst mal zu den Großeltern meiner Frau gebracht, die direkt nebenan wohnen. Die Kinder waren ja in ihren Schlafanzügen und pitschnass“, erzählt Hahn.

Die Versorgung von insgesamt neun verletzten Menschen stellte den Rettungsdienst an diesem Abend vor eine echte Herausforderung. Auch aus den Nachbarkreisen rasten Rettungswagen in den abgelegenen Harzort, damit man sich um alle kümmern konnte. Auch Sebastian Hahn wurde medizinisch versorgt. Sein Husten ließ eine Rauchgasvergiftung vermuten, die Sauerstoffsättigung im Blut musste regelmäßig kontrolliert werden.

Die Verletzten wurden auf mehrere Krankenhäuser verteilt, denn normalerweise gibt es in jeder Klinik nur zwei Betten für die spezielle Versorgung von Brandopfern, erzählt Sebastian Hahn. Er selbst wäre in Aschersleben aus Platzmangel fast nicht aufgenommen worden. Am Donnerstag konnte er die Klinik dann wieder verlassen.

Das Schicksal der Familie im Grillenberger Weg so kurz vor Weihnachten hat unterdessen große Anteilnahme und Hilfsbereitschaft ausgelöst. Den verletzten 87-Jährigen kennen viele im Ort als ihren früheren Mathematiklehrer.

Spendenbereitschaft in Grundschule und sozialen Netzwerken für Wippraer Familie

„Bei der Gemeinde hat sich schon die Grundschule gemeldet, die Kinder wollen eine Spendenaktion starten“, berichtet Wippras stellvertretende Bürgermeisterin Ulrike Lange. Auch viele andere Leute hätten sie schon angesprochen und gefragt, wie man helfen könnte. Ebenso sei bereits eine Wohnung als Übergangsquartier angeboten worden.

„Wir wollen jetzt erst mal in Ruhe schauen, was die Familie wirklich braucht, und dann die Hilfe in die richtigen Bahnen lenken“, sagt Ulrike Lange. Auch mit der Stadt Sangerhausen habe man sich dazu schon abgestimmt.

Sabine Götz startete derweil auf Facebook einen Aufruf an alle Wippraer, eine Spendenaktion für die Familie ins Leben zu rufen.

Die Polizei hat frühestens für 12. Dezember eine Aussage zur Brandursache angekündigt. (mz)