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Ein einziges Länderspiel Frauenfußball in der DDR: Kathrin Nicklas aus Sangerhausen erinnert sich

Frauenfussball: Kathrin Nicklas aus Sangerhausen zählte zum Aufgebot der DDR-Nationalmannschaft im einzigen Länderspiel der Geschichte.

19.04.2021, 10:45

Sangerhausen

Nicklas? Der Name dürfte eingefleischten Kegelsportfans aus Sangerhausen und der Region ein Begriff sein. In längst vergangenen Zeiten eines Horst Wöstehoff zählte Dieter Nicklas zu den besten Keglern hierzulande. So weit, so gut. Nur absoluten Sport-Experten ist dagegen der Name Kathrin Nicklas ein Begriff. Dabei hat die gebürtige Sangerhäuserin etwas geschafft, das einmalig ist und bleibt. Sie zählte zum Kader der Mannschaft der DDR im ersten und letztendlich einzigen Frauenfußball-Länderspiel in der Geschichte des Landes. Am 9. Mai 1990 unterlagen die Gastgeberinnen dem Team aus dem Nachbarland CSSR in Potsdam mit 0:3.

Der Reihe nach. Vor gut 60 Jahren in Sangerhausen geboren, begann die sportliche Laufbahn von Kathrin Nicklas als Leichtathletin. Ihr Trainer war damals Helmut Reinefahl. „Er war wie ein Vater für mich. Die zehn Jahre Leichtathletik in Sangerhausen haben mich schon geprägt“, sagt sie. Und weiter, dass „wir damals zum Aufwärmen immer Fußball gespielt haben. Das hat mir richtig Spaß gemacht, da habe ich gelernt, mich durchzusetzen.“

Ehrenplatz für das Nationalmannschaftstrikot

Aus Sangerhausen ging es für sie schließlich aus beruflichen Gründen in die Hauptstadt Berlin. Mit dem Wohnortwechsel kam auch der Wechsel der Sportarten. Der Handball blieb eine kurze Stippvisite, schließlich landete Kathrin Nicklas beim Fußball, genauer bei der BSG Kabelwerk Oberspree. Mit ihrer Mannschaft mischte sie im Konzert der besten Teams bei der DDR-Bestenermittlung, eine offizielle Landesmeisterschaft gab es nicht, mit.

Der absolute Höhepunkt für die gebürtige Sangerhäuserin folgte aber eben am 9. Mai 1990 in Potsdam. „Das war schon sehr aufregend. Ich fand es ganz toll, als ich in Leipzig mit der Mannschaft im Trainingslager war. Die Berufungsurkunde und das Nationalmannschaftstrikot habe ich heute noch, beides hat einen Ehrenplatz in meiner Wohnung.“ Auch an das Spiel gegen die Elf aus der CSSR hat sie nur gute Erinnerungen. Und das, obwohl sie schließlich nicht auf dem Platz stand. „Wir hatten Super-Spielerinnen und waren eine Super-Truppe. Ich habe dazu gehört, war im Kader, das allein schon war für mich eine Riesen-Auszeichnung.“

Bernd Schröder, damals Coach der Nationalmannschaft, erinnert sich an die Sangerhäuserin. „Kathrin war unwahrscheinlich zuverlässig und kameradschaftlich. Sie hat den Frauenfußball in der DDR mitgeprägt“, so die auch hierzulande nicht zuletzt durch die Spiele mit Champions-League-Sieger Turbine Potsdam in Sangerhausen und Kelbra bekannte Trainerlegende.

Kathrin Nicklas arbeitete als Trainerin bei Union Berlin

Der Abschied von der aktiven Laufbahn war für Kathrin Nicklas kein Abschied vom Fußball. 37 war sie, als sie ihr letztes Spiel bestritt. Was folgte, waren der Trainerposten bei Union Berlin. Die „Eisernen“ stiegen mit ihr als Trainerin 2001 in die Regionalliga auf. Seit Oktober 1990 arbeitet Kathrin Nicklas nun als Sachbearbeiterin beim Berliner Fußballverband. Und engagiert sich seit Jahren ehrenamtlich in den Ausschüssen Frauen- und Mädchenfußball des DFB und NOFV. Klar, dass es ihr der Frauenfußball weiterhin angetan hat. „Es hat sich schon eine Menge getan. Aber die Tatsache, dass Frauen und Männer da gleichberechtigt sind, ist längst noch nicht in allen Köpfen drin. Das Thema Frauenfußball muss weiter sensibilisiert werden, das Umdenken muss weitergehen. Wir müssen bei der Ausbildung im Nachwuchs auch Mädchen und Jungen auf eine Stufe stellen“, sagt sie.

Angesichts der Corona-Krise beobachtet Kathrin Nicklas den Frauen- und Mädchenfußball genau. „Ich kann nur für Berlin sprechen, bei uns gibt es keine extremen Einbrüche bei den Mitgliederzahlen. Aber natürlich ist klar: Je länger die Pause vom Fußball dauert, desto schwieriger wird es für die Vereine, ihre Mitglieder zu halten.“

„Es wird immer Frauenfußball geben“

Beim Blick in die Zukunft zeigt sich die Ex-Sangerhäuserin optimistisch: „Es wird immer Frauenfußball geben. Die Talente kommen nach, es gibt immer mehr Verrückte, die sich um den Fußball kümmern. Mädchen, die Fußball spielen wollen, lassen sich davon nicht abbringen. Da braucht man keine großen Kampagnen zu starten. Am Anfang gab es noch dumme Sprüche. Jetzt, vor allem in den letzten zehn bis 20 Jahren, hat der Frauenfußball einen ganz anderen Stellenwert. Die Qualität der Spielerinnen, ihre Ausbildung, auch die Ausbildung und Qualität der Trainer hat sich stark verbessert. Alles steht und fällt mit den Leuten, die sich im Verein um die Frauen und Mädchen kümmern. Menschen, die ihre Freude am Frauenfußball und ihr Engagement an Kinder übertragen, brauchen wir. Überall, egal ob in Sangerhausen oder Berlin.“

Auch wenn der Lebensmittelpunkt von Kathrin Nicklas längst in der Hauptstadt liegt, ab und an führt sie ihr Weg dann doch noch nach Sangerhausen. „Hier lebt meine Mutter, schon deshalb komme ich gern in die alte Heimat zurück“, sagt sie. Und freut sich irgendwie dann doch darüber, dass der Name Nicklas in der Sportgeschichte ihrer Geburtsstadt nicht ganz in Vergessenheit geraten ist. (mz/Ralf Kandel)