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Fahrradbauer Mifa Fahrradbauer Mifa: Reaktionen auf die erneuten Finanzierungsschwierigkeiten

Von Karl-Heinz Klarner 19.01.2017, 06:00
Der Blick in die neue Mifa-Bike-Halle mutet trostlos an. Die Bänder stehen still.
Der Blick in die neue Mifa-Bike-Halle mutet trostlos an. Die Bänder stehen still. Maik Schumann

Sangerhausen - Für einen kurzen Moment kommt die Sonne durch. Doch über der neuen Werkhalle der Mifa-Bike GmbH in Sangerhausen ziehen dunkle Wolken den kleinen Lichtschein schnell wieder zu. So grau und ungewiss wie das Wetter sind offenbar auch die Aussichten des insolventen Fahrradherstellers. Schließlich steckt das Unternehmen erneut in Finanzierungsschwierigkeiten.

„Ich gehe mit sehr gemischten Gefühlen nach Hause“, umschreibt die Sangerhäuserin Rebecca Michael das Ergebnis der Betriebsversammlung und fügt trotzig hinzu: „Wir kämpfen weiter, aber ohne Unterstützung geht das nicht.“ Seit über elf Jahren arbeitet die junge Frau in der traditionsreichen Fahrradschmiede.

Gemischte Gefühle bei Belegschaftsmitgliedern nach Verkündung der neuen Finanzierungsprobleme bei Mifa

So wie ihr geht es vielen Belegschaftsmitgliedern am Mittwochvormittag. Nach der für 11 Uhr angesetzten Belegschaftsversammlung stehen sie in Gruppen zusammen und diskutieren. Die meisten kommen mit hängenden Köpfen aus der neuen Werkhalle, einige haben Tränen in den Augen. Viele wollen gar nichts sagen. „Es sieht böse aus, ich habe keinen Funken Hoffnung mehr“, sagt dann eine Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Sieben Jahre habe sie in der Lackiererei des Werks gearbeitet. Jetzt wisse sie nicht mehr, wie es weiter gehen soll.

Andere zaubern noch einen Funken Optimismus aus dem Hut, verweisen darauf, dass sie die schlechte Nachricht diesmal direkt von der Geschäftsführung und nicht nur aus den Medien erfahren haben. Demnach hat sich die Familie von Nathusius aus dem Werk zurückgezogen. „Ich muss das erstmal sacken lassen“, meint eine Frau. Die Löhne seien über das Insolvenzgeld nur bis Ende Februar gesichert. „Was danach wird, ist offen“, meint sie. Die Zukunft des Fahrradherstellers ist mehr denn je offen. Oberbürgermeister Ralf Poschmann (CDU) ist nach dem erneuten Mifa-Tiefschlag enttäuscht. „Das ist eine schlimme Nachricht für die Stadt Sangerhausen, dass wieder einmal unternehmerische Fehlentscheidungen dazu führen, dass die Mitarbeiter die Leidtragenden sind.“

Ins gleiche Horn bläst auch Michael Perner von der Industriegewerkschaft Metall Halle-Dessau. „Ich bin bestürzt. Die Familie von Nathusius hat die Belegschaft und Mifa-Bike im Stich gelassen. Die Beschäftigten sind wütend und enttäuscht. Wir sehen im Verhalten der Eigentümerfamilie Nathusius einen massiven Wortbruch.“

Eine persönliche Verbitterung gegenüber der Familie Nathusius, der in Haldensleben ein Automobil-Zulieferer gehört, kann auch Oberbürgermeister Poschmann nicht verbergen. „Ich begleite den Prozess um die Mifa ja schon seit 2014. Ich muss sagen, meine persönliche Meinung, die ich dazu habe, möchte ich lieber nicht äußern, weil ich den Anwalt, den ich dann bräuchte, nicht bezahlen kann.“

Als Stadt habe man in zwei Jahren so viel auf den Weg gebracht und die Fläche fertiggestellt. „Das waren planungsrechtlich echte Kopfstände, die auch viel Geld gekostet haben. Das darf nicht umsonst gewesen sein.“

Mifa-Betriebsratsvorsitzende appelliert an Eigentümerfamilie Nathusius

Einen geradezu persönlichen und verzweifelt anmutenden Appell hat die Mifa-Betriebsratsvorsitzende Ellen Brünoth auf den Lippen. „Wir haben alle schon so viel in den letzten Jahren erlebt und immer wieder versucht, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Wir appellieren an die Eigentümerfamilie Nathusius und bitten sie, ihren derzeitigen Standpunkt zu überdenken. Und das sollte schnell passieren. Ansonsten springen uns die Kunden ab“, so Brünoth.

Die immense Bedeutung des Unternehmens ist auch Ralf Poschmann klar. „Letztlich ist es unser größter produzierender Arbeitgeber. Das ist schon ein Schlag ins Kontor“, fasst er zusammen. Was das Ganze nun für den Standort Sangerhausen bedeutet, darüber ist sich Poschmann im Klaren, vor allem, wenn es mit der Mifa böse endet. „Letztlich werden die Arbeitslosenzahlen in die Höhe schnellen und das hat Auswirkungen auf die Kaufkraft und die gesamte Region“, so der Oberbürgermeister.

Landrätin Angelika Klein (Die Linke) zeigt sich schockiert, vor allem vor dem Hintergrund, dass in den vergangenen Tagen und Wochen sehr viele Gespräche zur Rettung der Mifa geführt wurden. „Ziel muss es weiterhin sein, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu retten.“ Parallel dazu müssten die Agentur für Arbeit und auch das Jobcenter Mansfeld-Südharz nach Lösungen suchen, um den Mifa-Beschäftigten Perspektivmöglichkeiten anzubieten.

Realisierung des Industrieparks Mitteldeutschland in Sangerhausen rückt weiter in den Fokus

Angesichts dessen sei es jetzt umso wichtiger, den Industriepark Mitteldeutschland zu realisieren. Hier müsse das Land Sachsen-Anhalt unterstützen. „Denn nur so können Ansiedlungen von Investoren in unserer Region vorangetrieben werden, um auf diesem Wege die nun möglicherweise wegfallenden Arbeitsplätze zu kompensieren“, sagt Klein.

Zum Investor und dessen Wirken in der Berg- und Rosenstadt, die doch auch Mifa-Stadt ist, hat Poschmann noch etwas zu sagen. „Hier sollte eine Vision verwirklicht werden, an der scheinbar nichts dran war“, lautet das verheerende Urteil des Stadtoberhauptes. „Dass man automobile Standards in die Fahrradindustrie überführen wollte, ist leider nicht gelungen. Das enttäuscht mich schon.“

Die Frage nach der Zukunft der Mifa bleibt offen. „Ich erwarte einfach, dass die nächste Schritte so sind, dass man Investoren findet, die Branchenkenntnis mitbringen und die es schaffen, das kleine Pflänzchen Mifa hier am Standort entwickeln zu können“, meint Poschmann. Nicht der einzige Seitenhieb auf Heinrich von Nathusius. (mz)

Abgedeckt und abgestellt: Mifa-Fahrräder
Abgedeckt und abgestellt: Mifa-Fahrräder
Schumann
Mifa-Geschäftsführer Joachim Voigt-Salus und Sprecher Christoph Möller bei der Pressekonferenz
Mifa-Geschäftsführer Joachim Voigt-Salus und Sprecher Christoph Möller bei der Pressekonferenz
Schumann