Die Neumanns und ihr Pilotprojekt
Sangerhausen/MZ. - Heute resümiert der studierte Serviermeister: "Es war schön. Es war hart. Ich möchte die ganzen Etappen, die zu meistern waren, nicht missen." Ihm zur Seite stand in all den Jahren Ehefrau Margitta (49), die gelernte Kellnerin. Auch das Kollektiv der "Freundschaft" brachte seine Wertschätzung für den Chef in einer Anzeige in der Mitteldeutschen Zeitung anlässlich des Jubiläums zum Ausdruck.
Dass der Oktober im Osten der Bundesrepublik ein geschichtsträchtiger Monat ist, muss an dieser Stelle wohl nicht betont werden. Für Horst Neumann ist er es auch ganz privat. Denn es war im Oktober vor 25 Jahren, als er den neuen Komplex "Freundschaft" im Stadtteil Südwest in der Berg- und Rosenstadt übernahm. Es war damals ein Pilotprojekt im Neubaugebiet in der Georg-Schumann-Straße. Mit diesem Bau, der Modellcharakter hatte, sollte im sozialistischen Ausland Furore gemacht werden. Saal, Restaurant, Café und Klubräume - alles fürs werktätige Volk. Über Gästemangel konnten Horst Neumann und sein Team damals nicht klagen.
Viele Brigadetagebücher, so sie die Wende überlebten, können wohl als Zeitzeugen fungieren. Damals sorgten 51 Angestellte und 20 Lehrlinge für das Wohl der Gäste. Besonders viele Frauen standen hier in Lohn und Brot. Junge Mütter größtenteils. Zeitweise 40 Babys gehörten zum familiären "Hinterland" der "Freundschaft"-Crew. Solche Zahlen sind bei Neumann und anderswo längst Vergangenheit. Zehn Angestellte sorgen heute für das Wohl der Gäste, dazu zwei Lehrlinge und dann und wann Praktikanten. Eine Entwicklung mit Folgen: Zwangsläufig hat sich auch die Zahl der Tische im Gaststättenbereich minimiert. Und trotzdem, vielleicht sogar erst recht: Neumann ist stolz. Vor allem darauf, dass sein Haus den Ruf genießt, flexibel auf alle Kundenwünsche einzugehen. Das betrifft den Partyservice außer Haus genauso wie die Gastlichkeit. So gibt es keine Party, die nicht bei Neumann und Co. steigen kann. Für jeden Anlass gibt es das passende Ambiente. Und so kommt es vor, dass Hochzeitspaare von vor 25 Jahren auch ihr silbernes Ehejubiläum in der "Freundschaft" feiern.
Neumanns Truppe ist für viele aber auch ein Stück Alltag: Wie für Kurt Hübner, Heinz Schmidt und Alice Müller, die seit Jahren dank "Senioren-Vorzugspreis" den eigenen Herd kalt lassen. Und für ihren Gastgeber ist wichtig: "Nur wenn die Kessel voll sind, geht die Kalkulation auf." Alles muss laufen - die Schulspeisung genauso wie der individuelle Partyservice. Und es läuft. Auch dank solcher Mitarbeiter wie Jenny Podszuweit und Siegfried Turzer, die beinahe schon zum Inventar in Südwest gehören.
Apropos Inventar: "Ich wollte ein Stück DDR und Arbeitsplätze erhalten", begründet Horst Neumann seinen Entschluss, nach der Wende sein Reich nicht sang- und klanglos zu verlassen.
Ob Sohn Felix eines Tages dort schalten und walten wird, das ist keine Frage, die sich Familie Neumann derzeit wirklich stellt. In die Fußstapfen seines Vaters ist der junge Mann weitgehend geschlüpft. Als Koch - derzeit in Hamburg. Er soll Erfahrungen aufsaugen so viele er bekommen kann. Trotzdem fehlt er. Denn Neumanns sind immer auch Familienmenschen geblieben. Auch wenn sie es bis heute kaum schaffen, wenigstens während der gängigen Mahlzeiten beide gemeinsam am Tisch zu sitzen. Allenfalls der 24. Dezember ist ihnen heilig. Und so müssen auch die Goldfische und der Garten mit Minimalzuwendung auskommen. Aber das ging schließlich schon 25 Jahre gut.