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Der Letzte macht das Licht aus Der Letzte macht das Licht aus: Wohnblock in Sangerhäuser Ostsiedlung wird abgerissen

Von Beate Thomashausen 12.05.2017, 12:00
Peter Dietrich vor seinem Wohnhaus. Dass er hier ausziehen muss, schmeckt ihm nicht wirklich.
Peter Dietrich vor seinem Wohnhaus. Dass er hier ausziehen muss, schmeckt ihm nicht wirklich. Maik Schumann

Sangerhausen - Der Letzte macht das Licht aus. Dieser Spruch passt zwar zur momentanen Situation von Christel und Peter Dietrich, darüber lachen können sie aber gerade nicht. Sie und noch drei weitere Mieter müssen umziehen. Wahrscheinlich nur einen Steinwurf entfernt in eins der Nachbarhäuser. Ihr Vermieter, die Sangerhäuser Wohnungsbaugesellschaft (SWG) wird den Block in der Straße des Aufbaus 2 bis 6 abreißen. Im Moment sei nur der Abriss geplant. Pläne für eine Nachnutzung gebe es noch nicht, sagt Norbert Kaye, Bereichsleiter Wohnungswirtschaft der SWG.

Ehepaar erfährt durch Zufall von Abrissplänen für Wohnblock

Dass diese Pläne existieren, das hat das Ehepaar zunächst durch puren Zufall erfahren, wie sie erzählen. Sie beantragten im vorigen Jahr den Einbau einer Dusche in ihrem Bad, da Peter Dietrich aus gesundheitlichen Gründen die Wanne nicht mehr nutzen kann. Als Antwort bekamen sie damals von der SWG nicht nur die Ablehnung ihres Antrags, sondern gleich auch die fatale Begründung dafür geliefert: Es sei geplant, das Gebäude in absehbarer Zeit abzureißen. Das empfindet das Ehepaar noch immer als einen herben Schlag.

Ein bisschen abgemildert werde der durch die Zusage des Vermieters, dass der Umzug der Beiden bezahlt und organisiert werde. Immerhin sind die beiden nun mittlerweile und 72 und 69 Jahre alt und gesundheitlich ein wenig angeschlagen. „Den Umzug vor 20 Jahren aus der Straße der Einheit hierher in die Straße des Aufbaus habe ich noch ganz alleine bewältigt. Da war mein Mann auf Montage und konnte mir gar nicht helfen. Aber jetzt, jetzt schaffen wir das nicht mehr“, sagt Christel Dietrich.

Sieben Parzellen für Eigenheime hat die SWG in der Ostsiedlung dort ausgewiesen, wo früher die Blöcke der Genossenschaftsstraße gestanden haben. Auf sechs Parzellen stehen mittlerweile bereits Eigenheime oder befinden sich gerade im Bau. Vor allem junge Familien mit Kindern haben Interesse an dem Standort Ostsiedlung, sagt SWG-Bereichsleiter Norbert Kaye. Auch die Mieter der Ostsiedlung haben großes Interesse daran, dem Wohngebiet treu zu bleiben und versuchen möglichst, innerhalb des Quartiers umzuziehen, wenn das nötig wird.

Sie ist zwar froh darüber, dass ihr die SWG in Aussicht gestellt hat, in der Ostsiedlung bleiben zu können, aber der Gedanke an den Umzug macht ihr schwer zu schaffen. Die Kisten und Kartons. Das Möbelabbauen. Das Renovieren. Und dabei habe man sich doch vor 20 Jahren so gut hier eingerichtet in der Straße des Aufbaus. Der schöne Blick aus dem Küchenfenster hinein ins Grüne und gleichzeitig auf die Straße. Christel Dietrich vermisst es beinahe schon jetzt, wo doch der Umzug eigentlich noch ein paar Wochen entfernt ist. „Aber zum 1. Oktober müssen wir raus sein aus der Wohnung“, sagt Peter Dietrich und sieht dabei richtig unglücklich aus.

Dietrichs sind Urgesteine der Sangerhäuser Ostsiedlung. Christel Dietrich zog als Dreijährige mit ihren Eltern in die Ostsiedlung. Peter Dietrich war schon ein junger Mann, als er hier ankam. Das war 1967. Fast ausschließlich Bergarbeiterfamilien leben damals in der Ostsiedlung. 1.900 Menschen sind das in Hochzeiten gewesen. Eine eigene kleine Stadt war die Ostsiedlung vor ein paar Jahrzehnten, in der es alles gab, was man zum Leben brauchte.

Bekannte Ost-Künstler traten bei Ostsiedlungsfest auf

Ein bisschen wehmütig erinnern sich Dietrichs an diese Zeiten, als es eine Konsumverkaufsstelle um die Ecke gab, man bis in die Nacht mit Nachbarn, Freunden und Kollegen grillte. „Man konnte den Kinderwagen draußen vor die Tür stellen und das Kind war sicher“, erinnert sich Christel Dietrich. Peter Dietrich war viele Jahre der Wohnbereichsvorsitzende der Ostsiedlung.

Ein wenig vom Wir-Gefühl in der Ostsiedlung spiegelte in jedem Jahr das Ostsiedlungsfest wider. Eine Menge bekannter Künstler aus dem Osten der Republik habe man für einen Auftritt verpflichten können, freut sich Dietrich, der Sängerin Inka Bause gerne nochmal bei einem Ostsiedlungsfest begrüßt hätte. Von der großen Sommerparty geblieben ist nur noch ein kleiner Umzug der Schalmeienkapelle Martinsrieth durch die Siedlung. „Denen gefällt es auch bei uns“, sagt der ehemalige „Bürgermeister“ der Ostsiedlung.

Dass Dietrich in seiner Ostsiedlung bleiben kann, ist sicher, sagt Kaye. „Wir haben uns mit der Familie schon auf eine Wohnung geeinigt, in die sie einziehen will. Die neue Wohnung wird nach den Vorstellungen der Familie hergerichtet, so weit wie das möglich ist. Das handhaben wir mit allen Mietern so, die wegen eines Abrisses ausziehen müssen.“ (mz)