CJD Sangerhausen CJD Sangerhausen: Vater, Mutter, Kind

Sangerhausen/MZ - Vater, Mutter, Kind. Das ist doch die normalste Sache auf der Welt. Auch für Annett Niedzwiedz, Mirko Gillmann und für ihr fünf Jahre altes Töchterchen Natalie ist das Leben ganz in Familie total normal. Jedoch brauchte es dazu einiger Geburtshelfer, denn Annett Niedzwiedz und Mirko Gillmann lebten und arbeiteten beide unterm Dach des CJD Sangerhausen, denn sie haben eine geistige Behinderung. Das ist an und für sich kein Problem, auch nicht, dass sich zwei kennen und lieben lernen. Jedoch Elternschaft war bis vor sechs Jahren für behinderte Menschen nicht im Plan.
Aber das Paar wünschte sich sehnlichst ein gemeinsames Kind, und es wünschte sich nicht nur das Kind, sondern wollte es auch selbst großziehen. Im CJD Sangerhausen nahm man diese Herausforderung an. Anstatt rundweg die Elternschaft der Beiden abzulehnen, wurden Wege angelegt, die es bis dahin gar nicht gab. Dem Jugendamt des Landkreises Mansfeld-Südharz kommt hierbei eine besonders positive Rolle zu, wie CJD-Mitarbeiterin Ursula Herrmann betont.
Es war 2009, dass das CJD Sangerhausen das Projekt „Begleitete Elternschaft“ ins Leben rief, um geistig behinderte Eltern in ihrer Familienplanung zu unterstützen. „Bis dahin gab es im Landkreis Mansfeld-Südharz kein adäquates Wohn- und Betreuungsmodell für geistig behinderte Menschen mit Kind“, sagt Ursula Herrmann.
Eine neue Herausforderung
Das Sangerhäuser Projekt ist um einiges gewachsen in den vergangenen Jahren, bereits 2011 wurde das „Haus Christberg“ auf dem Campus der Hasentorstraße eigens für behinderte Paare mit Kind eingerichtet. Acht Familien leben dort mittlerweile. Anfragen kommen aus ganz Mitteldeutschland, obwohl sich das Angebot vorrangig an Eltern des Landkreises Mansfeld-Südharz richtet.
Auch Natalie und ihre Eltern lebten in ihrer eigenen Wohnung im „Haus Christberg“ in der geschützten Atmosphäre des CJD Sangerhausen. Aber die Träume und Wünsche des jungen Paares waren noch viel weitreichender. Wenn schon Vater, Mutter, Kind, dann auch ganz normal so wie alle anderen Familien in einer richtigen, eigenen Wohnung. Auch dieses Projekt, dass behinderte Menschen eine eigene Wohnung mitten in der Stadt haben, wird seit Jahren vom CJD Sangerhausen gefördert. Allerdings noch nie mit einer dreiköpfigen Familie. Das war eine neue Herausforderung.
„Wir haben dafür einige Zeit geübt“, sagt Birgit Niederhausen, die die kleine Familie von Anfang an mitbetreut. Der Auszug der Drei war ein längerer Abnabelungsprozess, der intensiv vom Jugendamt unterstützt worden sei, so Herrmann. „Es gab anfangs schon einige Verunsicherungen. Und ein bisschen hatten Mirko und Annett Angst vor der eigenen Courage.“ Doch der Wunsch, ganz normal mit dem kleinen, aufgeweckten Töchterchen zu leben, obsiegte vor aller Angst und allen Hemmungen. „Und die Drei sind ja nicht allein. Das CJD ist für sie nicht aus der Welt“, betont Ursula Herrmann.
"Und es ist nicht weit bis zum CJD"
Wenn Natalie jetzt mit ihrem Lieblingspüppchen Annabelle Mutter, Vater, Kind spielt, dann hat sie das Beispiel ihrer eigenen leiblichen Familie vor Augen. Papa Mirko, wie er mit ihr geduldig Mensch-ärgere-dich-nicht spielt. Und Mama Annett, wie sie liebevoll die Tochter umsorgt. Ganz normal eben. So normal mittlerweile, dass eine ganz neue Herausforderung in Angriff genommen wurde: Die junge Familie lebt in einer eigenen Drei-Raum-Wohnung in der Sangerhäuser Ostsiedlung. Nahe bei Natalies Kindergarten und nur einen Katzensprung von den Arbeitsstellen der Eltern entfernt. Papa arbeitet in der Holzwerkstatt und Mama als Reinigungskraft in der Hasentorstraße.
„Und es ist nicht weit bis zum CJD“, sagt Annett Niedzwiedz. Das CJD ist die Sicherheit im Rücken. Zu wissen, dass dort jemand ist, der helfen kann und sofort zur Stelle ist, das stärkt die jungen Eltern. Einmal am Tag für jeweils eine Stunde kommt noch eine Betreuerin zu der jungen Familie. Behördengänge, Arztbesuche oder einfach mal ein kleiner Ratschlag, ein paar Tipps für den Haushalt - all das gibt den jungen Leuten die Sicherheit, dass sie es selbst schaffen können.
"Ein bisschen ungewohnt"
Die helle, schmuck eingerichtete Wohnung wird jeden Tag ein bisschen mehr zum Zuhause für die Drei. Und wenn sich doch eine Unsicherheit einschleichen sollte - das CJD ist ja da.
„Ein bisschen ungewohnt war es schon am Anfang“, sagt Annett Niedzwiedz. „So ganz ohne Betreuung. Das war ja vorher nicht.“ Im „Haus Christberg“ war man ja mitten auf dem CJD-Gelände und Betreuer waren ganz schnell da. „Einmal mussten wir schon nachts um Hilfe bitten“, sagt Mirko Gillmann. „Da war Natalie krank und hatte hohes Fieber.“ Aber ruckzuck war Hilfe da, und die Eltern konnten sich wieder sicher sein, alles richtig gemacht zu haben. „Ich bin so stolz auf die Drei“, sagt Birgit Niederhausen. „Denn ganz ehrlich - dass alles so gut klappen wird, war vor fünf, sechs Jahren nicht vorherzusehen.“ Natalie ist das alles vollkommen egal. Ihre Eltern sind ihre Eltern. Und die sind dazu da, um auf Trab gehalten zu werden von dem aufgeweckten Mädchen. Ganz normal eben für Vater, Mutter und Kind.