Bergmannstag Bergmannstag: Verbotener Film feiert nach 44 Jahren Premiere

Wettelrode - Es ist ein spannender, bewegender Abend. Nicht nur für die rund 100 Besucher des Wettelröder Bergwerksmuseums, sondern vor allem für die beiden früheren Bergleute Hans-Joachim Schmidt und Karl-Heinz Neff und ihre Familien.
Erstmals wird der Dokumentarfilm gezeigt, den der Regisseur Rainer Ackermann 1975 auf dem Sangerhäuser Thomas-Münzer-Schacht gedreht hat.
Filmvorführung ausverkauft
Die Idee, den Film zum 20. Tag des Bergmanns vorzuführen, sagt Museumsleiter Torsten Müller, habe alle begeistert. „Die Karten waren im Nu ausverkauft.“
Denn gezeigt werden durfte der knapp halbstündige Schwarz-Weiß-Film bisher nicht, erzählt Ackermann. „Das war mein Hauptprüfungsfilm im 3. Studienjahr an der Filmhochschule.“
Der sei durch ihn und seine Kommilitonen mit einer „richtigen Kamera“ und „richtigem Ton“ produziert und sehr gelobt worden. Deshalb sollte er sonnabends in der Fernsehreihe „Versuche“ und sogar bei der renommierten Leipziger Dokumentarfilmwoche laufen.
Karl-Eduard von Schnitzler kassierte den Film
Doch der künstlerische Beirat unter Vorsitz von Karl-Eduard von Schnitzler, der stets am Montagabend das DDR-Fernsehpublikum mit „Der schwarze Kanal“ vergrämte, habe den Film abgelehnt.
„Die Arbeiterklasse ist nicht so“, erinnert sich der Regisseur an den entscheidenden Satz des Schreibens. Erst viel später, als er selbst Rentner wurde, habe ihm ein Freund eine Kopie als DVD hergestellt...
Ein großer Teil seiner Familie stamme aus Teutschenthal und Langenbogen, sagt Ackermann, Jahrgang 1946 und gebürtiger Hallenser. Er habe von jeher eine enge Beziehung zum Bergbau gehabt: „Ich mochte den Menschenschlag.“
Um seinen Film vorzubereiten, habe er im Februar und März 1975 längere Zeit recherchiert. „Eine Woche habe ich unter Tage mitgearbeitet, damit die mich ernst nahmen.“ Schließlich, im April und Juni 1975, wurde mit der damaligen Jugendbrigade von Gerd Wetzorke gedreht.
Ungeschönter Blick auf den rauen Alltag
Die Szenen und Schilderungen wecken bei Hans-Joachim Schmidt, Karl-Heinz Neff, all den einstigen Bergleuten und ihren Angehörigen viele Erinnerungen. „5.30 Uhr aufstehen, waschen, Kaffee trinken, Zigarette anzünden, zum Schachtbus.“
Der Blick auf die Wartenden, bevor sie in den Schacht einfahren, dann in die Grubenbahn umsteigen. Die schwere, laute Arbeit mit dem Presslufthammer.
Die Enge, der Dreck. Das gute Gefühl, wenn die Schicht vorbei war und sie ausfuhren. Die Eile, mit der sie die erste Zigarette anzündeten, bevor es unter die Dusche und nach Hause ging, in den Garten oder zur Versammlung.
„Es war für uns eine Ehre, im Film mitzuwirken“, sagt Schmidt. Die Kameradschaft der Bergleute sei legendär gewesen, sich alles ins Gesicht zu sagen, mit harten Worten oder Sprüchen unterhalb der Gürtellinie, trotzdem hätten sie - auch außerhalb der Arbeit - zueinander gestanden, sagt Neff.
Guter Lohn für harte Arbeit
Sie hätten hart gearbeitet, um gutes Geld zu verdienen, wie sie es im Film mehrfach gesagt haben, um die Wohnung einzurichten oder eine Flasche guten Schnaps zu kaufen - und hätten auch gern gefeiert, etwa im „Fass“.
Es waren andere Dinge, die die Bergleute im Fernsehen nicht laut ansprechen durften: Drei Jahre mit Frau und Kind bei den Schwiegereltern wohnen und auf eine eigene Wohnung warten zu müssen.
Das ungute Gefühl, nach dem Urlaub und vor der ersten Schicht weder essen noch schlafen zu können. Die Hoffnung, 25 Jahre harte Arbeit unfallfrei zu überstehen und dann ein leichteres Leben zu führen. Der Traum, mit einem Boot allein auf dem Meer unterwegs zu sein und eine einsame Insel anzusteuern...
Ihre Brigade, sagen Schmidt und Neff, sei eine gute Truppe gewesen. „Vor Streb, bei Gerd, das war die schönste Zeit, schön und lehrreich.“ Kein Wunder, dass der verschollen geglaubte Film so viele Emotionen weckt. (mz)