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Engpässe bei Arzneimitteln Arzneimittel in Apotheken knapp: Lieferengpässe bei Medikamenten

Von Tina Edler und Helga Koch 04.11.2019, 09:20
In Deutschland gibt derzeit Lieferengpässe bei Medikamenten. Vor allem Blutdruckmittel, Antibiotika und Schmerzmittel sind betroffen.
In Deutschland gibt derzeit Lieferengpässe bei Medikamenten. Vor allem Blutdruckmittel, Antibiotika und Schmerzmittel sind betroffen. dpa

Sangerhausen - „Bisher hat es immer irgendwie geklappt, dass wir die Medikamente für unsere Patienten besorgt haben“, sagt Susan Klimm von der Sangerhäuser Barbarossa-Apotheke. Und das, obwohl es zurzeit etliche Engpässe gibt und sich einige Arzneimittel nur schwer und mit teils enormem Aufwand beschaffen lassen.

Von mehr als 10.000 Medikamenten, die normalerweise im Bestand sind, seien über 2.000 schwer oder gar nicht lieferbar, sagt Klimm. Eine Erfahrung, die andere Apotheken im Landkreis bestätigen.

Arzneimittelengpass: Auch Blutdruckmittel betroffen

„Ganz extrem ist es bei Candesartan und Valsartan“, sagt Klimm. Es handelt sich um zwei Blutdrucksenker beziehungsweise Kreislaufmittel. In Absprache mit dem Arzt und dem Patienten könne man im Notfall auf ein anderes Mittel ausweichen oder aber - nach Rücksprache mit dem Arzt und dem Patienten - die Dosierung anpassen.

Bei Analgin, das bei Fieber und Schmerzen hilft, gebe es ebenfalls einen Engpass, sagt Klimm, die seit 1991 als Pharmazeutisch-Kaufmännische Angestellte in der Barbarossa-Apotheke arbeitet.

„Analgin ist erst ab Ende Dezember, Anfang Januar wieder lieferbar.“ Viele ältere Patienten, die das Medikament noch aus DDR-Zeiten kennen, empfänden das als ganz schlimm. „Damals war es frei verkäuflich, jetzt ist es rezeptpflichtig.“ Als Ersatz empfehle man Berlosin, doch das sei von den Patienten „nicht so gewollt“. Die Kopfschmerzmittel Dolormin oder Dolormin extra werde es voraussichtlich erst ab Dezember wieder geben.

Lieferengpass bei Arzneimitteln: Alternative Arzneimittel stehen zur Verfügung

Wie Sprecher Maik Pommer vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bestätigt, lägen aktuell rund 260 Meldungen über Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland vor. Insgesamt seien etwa 103 000 Arzneimittel zugelassen. „Rund 100 der 260 Meldungen beziehen sich auf den Wirkstoff Valsartan.“

Ein Lieferengpass müsse aber nicht gleichzeitig ein Versorgungsengpass sein, betont der Sprecher. Da oftmals alternative Arzneimittel zur Verfügung stünden, könnten die Patienten dennoch sicher versorgt werden.

Das Institut prüfe bei gemeldeten Lieferengpässen, „ob und gegebenenfalls wie viele Alternativpräparate bei Produktionsproblemen verfügbar sind“. In enger Abstimmung mit Herstellern und ärztlichen Fachgesellschaften könnten „besondere Problemlagen rasch identifiziert und mögliche Lösungswege für die Patientenversorgung angestoßen werden“, sagt Pommer.

Apotheken melden Lieferengpässe: Der Grund - Produktionsprobleme der Arzneien

Auslöser für einen Lieferengpass seien häufig Produktionsprobleme. Etwa, wenn Herstellungsprozesse umgestellt würden, Ware aufgrund von Qualitätsproblemen nicht freigegeben werden könne oder wegen einer gestiegenen Nachfrage die Kapazitäten erhöht werden müssten. Pommer: „Vor allem, wenn beispielsweise für einen Wirkstoff oder ein Zwischenprodukt nur wenige Hersteller vorhanden sind, besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich ein Lieferengpass zu einem Versorgungsengpass entwickeln kann.“

Steve Raudenkolb, der in Eisleben die Glückauf- und die Helpide-Apotheke betreibt, verzeichnet ebenfalls Engpässe bei bestimmten Blutdruckmedikamente, Antibiotika oder Schmerzmitteln. Die ließen sich auf dem deutschen Markt derzeit nicht oder nur schwer beschaffen.

Bestimmte Wirkstoffe, vor allem Candesartan und Urapidil als Bestandteil in Blutdruckmitteln, würden im asiatischen Raum produziert, sagt Raudenkolb, „allerdings dort nur ganz knapp und nicht auf Reserve“.

Lieferung von Medikamenten: Engpässe steigen mittelfristig an

Das liege an der herrschenden Preispolitik, meint der Apotheker. „Die billigste Firma bekommt den Zuschlag. Dabei leidet aber häufig die Qualität.“ Dass sich daran künftig etwas ändern wird, erwartet Raudenkolb nicht. Erst Anfang des Jahres habe es eine Gesetzesnovelle gegeben, die die billige Produktion bestärkt. Er rechne damit, dass die Zahl der Medikamente mit Lieferengpässen mittelfristig steige.

Raudenkolb sieht aber noch einen weiteren Grund für Lieferengpässe. So würden auch Medikamente, die in Deutschland vorhanden sind, ins Ausland exportiert. Denn teils seien die Preise auf dem deutschen Markt niedriger als auf dem ausländischen Markt, etwa in England.

Lieferengpass von Medikamenten: Barbarossa-Apotheke in Sangerhausen betroffen

Die Sangerhäuser Barbarossa-Apotheke bezieht die meisten Medikamente von zwei Großhändlern aus Halle und Gotha sowie von vier, fünf weiteren Händlern, erläutert Susan Klimm. Einer der beiden Großhändler könne 63 Artikel seit September nicht liefern. Und teilweise seien auch die Rabattverträge mit den Krankenkassen an der schwierigen Situation schuld.

Doch wie lassen sich solche Engpässe überbrücken? Zum einen rufe man in den Apotheken ringsum an, sagt Klimm. Sei das verordnete Präparat irgendwo vorrätig, besorge es die Apotheke und liefere es den Patienten nach Hause, teils bis in die Harzdörfer wie Rotha oder Horla, auch nach Kelbra, Roßla oder Allstedt: „Wir versuchen das in vier Stunden ranzukriegen.“ Oder die Patienten gingen mit ihrem Rezept gleich in die andere Apotheke, in der das Medikament vorrätig ist.

Als letzte Möglichkeit bleibe der Anruf beim Hersteller. „Eillieferungen sind dann ein, zwei Tage später hier.“ Werde ein Präparat gebraucht, das in Deutschland nicht hergestellt wird, nutzen die Sangerhäuser einen anderen Weg: „Wir haben Kontakt zu einer internationalen Apotheke in München, über die wir Medikamente aus dem Ausland bestellen können“, sagt Susan Klimm.

Arzneimittelbestellung via Internet: Beipackzettel oft unverständlich

Also gleich übers Internet bestellen, wie es manche Kunden tun? Oft genug kämen sie dann „mit dicken Tränen in den Augen“ in die Apotheke, weil sie mit dem Beipackzettel nicht klarkommen. Wie Klimm sagt, versuche man trotzdem zu helfen. Habe man die Wahl, sei es am besten, deutsche Medikamente zu nehmen.

Eine gute Nachricht gibt es aber doch, vor allem mit Blick auf das nasskalte Herbstwetter und die Erkältungszeit. „Die Versorgung mit dem Grippeimpfstoff hat bisher wunderbar funktioniert“, sagt Raudenkolb. „Die Ärzte konnten damit beliefert und versorgt werden.“ In den Apotheken sei der Impfstoff vorrätig, ebenso wie die handelsüblichen Erkältungsmittel. (mz)