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Ärger um Abwasser Ärger um Abwasser: Bürger aus Einzigen wehren sich gegen aufgezwungene Lösung

Von Grit Pommer 15.09.2017, 09:27
Margrit und Klaus Kühne auf ihrem kleinen Grundstück
Margrit und Klaus Kühne auf ihrem kleinen Grundstück Maik Schumann

Einzingen - Der Bundespräsident ist Margrit Kühnes letzte Hoffnung. Die Ortsbürgermeisterin des Allstedter Ortsteils Einzingen hat ihm jetzt einen Brief geschrieben, nachdem alle anderen Eingaben und Hilferufe nichts genützt haben.

Margrit Kühne und ihr Mann stehen auf ihrem Grundstück und zeigen in den winzigen Hof. 102 Quadratmeter, kein Platz für eine Kläranlage. Als sie 1993 hergezogen sind, haben sie einen schriftlichen Antrag gestellt, um vorm Haus eine Klärgrube auf Gemeindeland bauen zu dürfen. Das vorgeklärte Wasser fließt über einen alten Sammelkanal aus DDR-Zeiten in den Einzinger Bach.

Wasserverband Südharz fordert, dass Einwohner von Einzigen vollbiologische Kleinkläranlagen bauen sollen

Jetzt sollen Kühnes und alle anderen Einzinger vollbiologische Kleinkläranlagen bauen. So sieht es das Abwasserbeseitigungskonzept des Wasserverbandes Südharz aus dem Jahr 2009 vor. Damals waren für Einzingen die dezentralen Anlagen festgelegt worden. Eine zentrale Leitung mit Anschluss ans Klärwerk Allstedt wäre zu teuer, hatte ein Ingenieurbüro ausgerechnet

Als das Konzept öffentlich wurde, brach ein Sturm der Entrüstung los. In der Einwohnerversammlung hätten sich 98 Prozent für einen zentralen Abwasserkanal ausgesprochen, sagt Margrit Kühne. Zum einen, weil etliche so wie sie selbst auf ihren Grundstücken gar keinen Platz für eine Kläranlage haben. Zum anderen, weil sie lieber einmal den Anschlussbeitrag zahlen wollten als die rund 4.000 Euro für eine Kläranlage und dann die laufenden Kosten für die halbjährliche Kontrolle und Wartung.

„Sechs Jahre hat dann kein Mensch mehr davon gesprochen. 2015 bekamen wir plötzlich die Aufforderung, bis Ende 2016 die Anlagen zu bauen“, sagt Kühne.

Wasserverband machte den Bürgern deutlich, dass sie kein Mitspracherecht bei der Entscheidung hätten

Ein Gespräch beim Wasserverband machte sie damals fassungslos. „Da hieß es, Widerspruch hätte keinen Zweck und wir hätten da kein Mitspracherecht“, erzählt die 80-Jährige. Eine Aussage, die sie heute noch wütend macht. „So kann man doch mit den Bürgern nicht umspringen!“

Immerhin, der Kreis bemühte sich, auf die Einzinger einzugehen, das Umweltamt fand die zentrale Lösung sogar besser. Mit dem Wasserverband wurde vereinbart, Alternativen zu prüfen. So lange würde man dulden, dass das Abwasser der gerade mal 160 Einwohner eben noch nicht vollbiologisch geklärt wird.

Landesverwaltungsamt verfügte, dass der Kreis die Umsetzung der dezentralen Variante anweisen muss

Dem schob aber das Landesverwaltungsamt einen Riegel vor. Es verfügte, dass der Kreis die Umsetzung der dezentralen Variante anweisen muss. Die Begründung: Neun Einzinger hatten schon die geforderten Anlagen gebaut. Die könne man nun nicht schlechter stellen, indem man plötzlich doch einen Kanal baut.

Als der Verband im Januar dem Kreis mitteilte, man werde den Nachbarort Nienstedt bis 2023 ans Klärwerk anschließen und damit wäre die Anbindung von Einzingen frühestens 2024 möglich, keimte bei den Einwohnern neue Hoffnung. Doch das Schreiben war nicht mehr als: ein Brief. „Auf Wunsch der Stadt Allstedt haben wir unseren Zeitplan mitgeteilt“, sagt Jutta Parnieske-Pasterkamp, die Geschäftsführerin des Wasserverbandes.

Sie wartet jetzt auf den Bescheid der Unteren Wasserbehörde, dann wird der Verband allen Einzingern schreiben, dass sie auf ihren Grundstücken entweder eine vollbiologische Kläranlage bauen lassen oder ihre jetzigen Anlagen so abdichten müssen, dass nichts mehr nach draußen dringt. Dann müssten sie ihr Abwasser teuer abholen lassen.

Ortsbürgermeisterin Margrit Kühne ärgert sich, dass Bürgern eine Lösung aufgezwungen wird

Eine Möglichkeit zu Widerspruch oder Klage gibt es nicht. Das Konzept sei bestandskräftig, heißt es vom Landesverwaltungsamt. Und weiter: „Damit obliegt nun die Pflicht zur ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung den Grundstückeigentümern.“

Margrit Kühne macht es zornig, wie den Bürgern eine Lösung aufgezwungen wird, obwohl auch eine andere möglich wäre. „Die sollen sich doch mal angucken, wie es auf den Dörfern aussieht“, schimpft sie. Im Ort lebten viele Alte, die gar nicht wüssten, wie sie die Forderung erfüllen sollen. Einige hätten schon ihre Häuser aufgegeben. Und Kühne sagt: „Ich würde am liebsten auch die Hütte zuschließen und wegziehen.“ (mz)