Aktion in Sangerhausen Aktion in Sangerhausen: 300 Zuschauer verfolgen Glockenguss für die Marienkirche

Sangerhausen - Gegen 17.30 Uhr stand am Sonntagnachmittag das Ergebnis fest: Der unter freiem Himmel ausgeführte Guss von zwei Glocken für die Sangerhäuser Marienkirche ist gelungen. Oberbürgermeister Sven Strauß (SPD) und Hermann Schmitt, der Chef der Glockengussfirma, schlugen die beiden frisch gegossenen Glocken mit einer Holzbohle als erste an. Sie freuten sich mit den vielen Zuschauern über deren Klang. Die Aktion Glockenguss war nach Tagen schweißtreibender Handarbeit erfolgreich abgeschlossen.
Glocken für die Sangerhäuser Marienkirche werden in einer Grube gegossen
Bereits seit Anfang vergangener Woche hatten Schmitt, der aus Brockscheid (Eifel) stammt, sein Sohn Christoph und ein Mitarbeiter den Guss der Bürger- und der Lions-Club-Glocke in Sangerhausen akribisch vorbereitet. Zwei größere Glocken waren bereits im Vorfeld in Schmitts Werkstatt gegossen worden. Am Rande des Spielplatzes der Marienanlage hoben sie mit Hilfe des Bauhofs die Grube zum Gießen aus. Schmitt mauerte den Ofen, und am Samstagvormittag setzten er und seine Mitarbeiter die mitgebrachten Gießformen aus Lehm hinein.
Am Samstagnachmittag und frühen Abend wurden die Glocken gegossen. Hunderte Zuschauer verfolgten das seltene Schauspiel. Nach einem Gebet und der Bitte um absolute Stille schöpften Schmitts Helfer die rund 1.100 Grad heiße, rotglühende Metalllegierung aus Kupfer und Zinn mit großen Kellen aus dem Ofen und ließen sie in die Form fließen. Es war dabei so heiß, dass die Arbeiter mehrfach ihre dicken Handschuhe wechseln mussten. Aus der Form strömte die von der heißen Bronze verdrängte Luft. Die Gase stiegen brennend aus den Windpfeifen auf. Als der Schmelztiegel leer war, entspannte sich Hermann Schmitt. Die Zuschauer applaudierten.
Wer die neuen Glocken am Wochenende noch nicht zu Gesicht bekommen hat, wird zum Kobermännchenfest Anfang September Gelegenheit dazu bekommen. Alle vier werden in der Marienkirche ausgestellt. Zur Nacht der Denkmale am 9. September ist ab 18 Uhr ein Glockenumzug geplant. Am nächsten Tag sollen die Glocken geweiht werden.
Vereine und Kirche haben den Glockenguss von Sangerhausen seit Jahren vorbereitet
Der Glockenguss ist ein gemeinsames Projekt des Kulturvereins Armer Kasten, des Sangerhäuser Geschichtsvereins und der Selbstständig Evangelisch-Lutherischen Kirche. Die drei Partner hatten sich seit Jahren darum bemüht. Die knapp 65.000 Euro an Gesamtkosten sollen über zweckgebundene Nachlässe, mit Hilfe von Sponsoren und Spenden aufgebracht werden. Unter anderem sammelte der Lionsclub. „Noch fehlen uns rund 3.000 Euro“, sagte Geschichtsvereinschef Helmut Loth.
Wie die neuen Glocken von Sankt Marien im Turm klingen, das sollen die Sangerhäuser am 31. Oktober erstmals erleben, wenn 500 Jahre Reformation gefeiert werden. Die Marienkirche ist das zweitälteste Gotteshaus der Stadt. Im 17. Jahrhundert wurden die beiden vorhandenen Glocken aus dem Turm entfernt. Eine wurde verkauft, die zweite Glocke an die Jakobikirche abgegeben. Seitdem schwieg die Kirche. Jetzt hat sie ihre Stimme wieder. (mz)