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„Alpakas sind keine Kuscheltiere“ Wie Alpakas aus Zingst pelzige Entspannungshelfer für gestresste Bürger werden

Stefanie Röll bietet im Querfurter Ortsteil Zingst unter anderem Wanderungen mit Alpakas an, um ihren Gästen eine Auszeit vom stressigen Alltag zu ermöglichen.

Von Julia Bachmann 21.07.2021, 14:00

Zingst/MZ - Große, dunkle Augen blicken die Besucher neugierig an, die Kiefer der Alpakas mahlen unaufhörlich in Form einer Acht, um als Wiederkäuer ihre Nahrung zu verdauen. Von den Tieren geht eine friedliche Ruhe aus. Gerade ihr weiches Fell und ihr lustiges Aussehen sind zwei der Gründe, weshalb die aus den Anden stammende Kamelart immer beliebter wird. Doch Stefanie Röll merkt an: „Alpakas sind keine Kuscheltiere. Sie tolerieren Streicheleinheiten, aber es ist nicht wie bei Hunden, dass sie diese auch wollen und einfordern.“

Alpakawanderungen und tiergestützte Therapien gegen den Alltagsstress

Die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin leitet eine Alpakazucht im Querfurter Ortsteil Zingst. Zuvor hatte sie in der Querfurter Psychiatrie gearbeitet, sich vor acht Jahren jedoch nach alternativen Behandlungsmethoden umgesehen und sich dabei in die flauschigen Vierbeiner verliebt. Angefangen hat sie mit zwei Tieren, inzwischen umfasst ihre Herde 24 Alpakas und zwei Lamas. Dem Alltagsstress entkommen und den Kopf frei kriegen – kaum etwas eignet sich dafür besser als der Umgang mit den Tieren, findet Röll.

Um auch anderen Menschen diese Erfahrung zu ermöglichen, bietet sie neben tiergestützten Therapien beispielsweise Alpakawanderungen an. „Unser Alltag ist hektisch, ein Termin jagt den anderen“, bemerkt die ausgebildete Therapeutin. Stress bestimmt heutzutage das alltägliche Leben vieler Menschen. „Das geht mit den Tieren nicht. Sie laufen langsam, wir müssen uns ihnen anpassen und entschleunigen“, erklärt die 33-Jährige. Die Tiere würden sofort merken, wenn sie nicht die volle Konzentration ihres Begleiters bekommen und dann auch gern mal stehen bleiben oder gemütlich am Wegesrand grasen. Mit Kindern seien sie jedoch etwas nachsichtiger.

Alpakas sind von Natur aus Fluchttiere. Ihr Vertrauen müssen sich die Menschen erst erarbeiten.
Alpakas sind von Natur aus Fluchttiere. Ihr Vertrauen müssen sich die Menschen erst erarbeiten.
Foto: Julia Bachmann

1,5 Kilometer langen Wanderungen auch gut für Firmenevents

In der Nähe der Paarhufer können Menschen sich wohlfühlen und entspannen, sagt Röll: „Tiere urteilen und beurteilen nicht. Das ist das wichtigste Gut, das sie haben. Der Mensch fühlt sich aufgehoben und akzeptiert, egal, wie er ist und aussieht.“ Dennoch müsse man sich das Vertrauen der Vierbeiner erst erarbeiten. Denn Alpakas sind von Natur aus Fluchttiere. Es sei eher selten, dass die Tiere sich vor den Wanderungen von den für sie fremden Personen anfassen lassen. Jedoch merkt man, dass sich in den drei Stunden der gemeinsamen Tour eine Verbindung aufbaut: „Man freundet sich mit den Tieren an. Hinterher lassen sie sich auch streicheln.“

Gut geeignet wären die 1,5 Kilometer langen Wanderungen auch als Firmenevents, da gerade Führungspersonen oftmals an ihre Grenzen kämen, meint die Therapeutin schmunzelnd: „Mitarbeitern kann man sagen, was sie machen sollen, bei Alpakas funktioniert das nicht.“ Bei den Touren mit den Tieren werde vor allem das Einfühlungsvermögen geschult – eine Fähigkeit, die laut Stefanie Röll unerlässlich für Chefs und trotzdem oftmals nicht ausreichend vorhanden ist.

„Jede Wanderung ist anders und auch anders schön. Jeder geht mit einem Strahlen nach Hause“

Wenn es daran geht, zu Beginn der Wanderung jedem Gast seinen felligen Begleiter zuzuteilen, ist Menschenkenntnis gefragt. Röll muss nach ihrem ersten Eindruck entscheiden, wer charakterlich zu welchem ihrer Alpakas passen könnte. Von ihrer Kenntnis von Mensch und Tier wurde sie bisher noch nicht im Stich gelassen. „Ich habe noch nie während einer Wanderung tauschen müssen“, erzählt die Züchterin, die ihre Alpakas in- und auswendig kennt. Im Gegenteil: Oft habe sie am Ende der Wanderungen in sich hinein gelächelt, weil Tier und Mensch sich so ähnlich waren. Und auch ihre Gäste bestätigen das: „Ich höre oft Kommentare wie ’Der ist ja wie ich!’ oder ’Der frisst auch so viel’“.

„Jede Wanderung ist anders und auch anders schön. Jeder geht mit einem Strahlen nach Hause“, schwärmt Stefanie Röll. Dabei hätte sie anfangs nie gedacht, dass sie solche Aktivitäten anbieten würde. Nun ist sie mehrfach pro Woche mit ihren Tieren und Gästen im Ziegelrodaer Forst unterwegs. Dabei legt die Züchterin Wert darauf, dass ihre Vierbeiner nur einen „Termin“ pro Tag haben: Wanderung, Kindergeburtstag oder Therapie. „Das A und O ist wirklich, dass es den Tieren hier gut geht.“

Weitere Informationen zu Alpakawanderungen in Zingst unter: www.therapie-mit-alpakas.de/[email protected]