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Bundestagswahl Warum Querfurter Abiturienten trotz Enttäuschung ihre erste Stimme abgeben wollen

Querfurter Abiturienten erklären, was ihnen für ihre Premiere an der Urne wichtig ist und weshalb sie der Wahlkampf enttäuscht.

Von Robert Briest Aktualisiert: 22.09.2021, 15:49
Hubertus (l.)  und Amon können am Sonntag wählen, Coleen hat dafür ein paar Tage zu spät Geburtstag.
Hubertus (l.) und Amon können am Sonntag wählen, Coleen hat dafür ein paar Tage zu spät Geburtstag. (Foto: Robert Briest)

Querfurt/MZ - Generation Merkel? Dieses medial verliehene Label für die nach dem Millennium geborenen Jahrgänge hält Amon für sich und seine Mitschüler für deplatziert: Klar hätten sie in ihrem Leben nur diese eine Bundeskanzlerin bewusst erlebt: „Aber viele Leute von uns haben sich nicht mit Politik befasst. Deshalb glaube ich, dass sie mehr Einfluss auf unsere Eltern hatte als auf uns“, sagt der großgewachsene Zwölftklässler im Basketballshirt.

Er ist einer von fünf Erstwählern im Sozialkundekurs des Querfurter Gymnasiums. Für die meisten seiner Mitschüler kommt der Wahltermin zu Beginn des Schuljahres noch zu früh. Für Amon passt er perfekt. Er wird an diesem Mittwoch 18. Und hat sich deshalb bereits mit der verfügbaren Auswahl an Kandidaten und Parteien beschäftigt, bei einigen, die ihn interessierten, sogar Teile der Parteiprogramme gelesen. „Das Spannendste ist, wie es mit der Klimapolitik inklusive Einschränkung des Privatlebens weitergeht“, sagt der 18-Jährige. Er hat vor kurzem den Führerschein gemacht, will sich demnächst ein Auto zulegen. Daher sucht er eine Partei, die das nicht gleich verbieten will: „Und Steuern, Steuererhöhungen sind für mich wichtig, weil meine Mutter alleinerziehend mit drei Kindern ist.“

„Bis auf das, was ich durch Zufall über Instagram mitbekomme“32

Auch Julian, einige Plätze neben ihm, ist Sonntag wahlberechtigt. Interessiert ist er nicht: „Bis auf das, was ich durch Zufall über Instagram mitbekomme, informiere ich mich gar nicht über die Wahl, weil es mich nicht interessiert. Ich fühle mich noch nicht so alt, dass ich wählen kann.“

Coleen dagegen weiß, wen sie wählen würde, wenn die Wahlen nicht Tage zu früh wären. Sie wird erst Anfang Oktober volljährig. Ihr politisches Interesse kann sich daher noch nicht in einer Stimmabgabe manifestieren. Dabei habe sie sich viel informiert, sogar den Wahl-O-Mat gemacht. „Ich finde das sehr schade, dass ich nicht wählen kann.“

Die Zwölftklässlerin gehört zur kleinen Minderheit im Sozialkundekurs, die zumindest Teile der direkten Aufeinandertreffen der Kandidaten von Grünen, SPD und CDU, der Trielle, gesehen hat. Ein Format, das die Masse der Jungwähler offenbar nicht erreicht, und jene am Gymnasium Querfurt, die es gesehen haben, nicht überzeugte. Amon kritisiert, dass dort jeweils nur drei große Themen, teilweise sogar dieselben, andiskutiert werden, doch dann aus Zeitgründen die Kandidaten abgeschnitten werden. Außerdem seien die Trielle auf Konflikt zugeschnitten. Dabei müssten mindestens zwei der Kandidaten nach der Wahl zusammenarbeiten: „Ich frage mich wie.“

„Ich will auch mal hören, was Linke, AfD oder FDP zu Themen zu sagen haben.“

Seinen Mitschüler Tius stört vor allem, dass das Fernsehformat auf die drei Parteien beschränkt ist, die er nicht wählen will und die ihn nicht interessieren. „Ich will auch mal hören, was Linke, AfD oder FDP zu Themen zu sagen haben.“ Hubertus findet den Wahlkampf insgesamt schwierig, zu polemisch: „Man merkt das am Umgang mit Annalena Baerbock, dass es nicht um Inhalte geht, sondern darum, dass sie zu unerfahren ist.“ Er würde sich mehr Debatte um Inhalte wünschen. Es sind vor allem zwei Themen, die ihm und, das zeigt eine kurze Abstimmung, auch seinen Mitschülern unter den Nägeln brennen. Das eine: „Klimapolitik. Das ist für mich das drängendste, denn wir als Junge müssen ja die Folgen ausbaden.“ Das andere: ein Ausbau des Gesundheitssystems. Hubertus sieht besonders Defizite bei der Behandlung psychischer Erkrankungen. Amon pflichtet bei und ergänzt, auch das Pflegepersonal werde schlecht behandelt.

Doch zurück zum Anfang: Angela Merkel. Auch wenn die Querfurter Schüler das Label „Generation Merkel“ ablehnen, bleibt sie die bisher einzige Kanzlerin, die sie erlebt haben: „Sie konnte das Land gut repräsentieren, mit allen ruhig reden“, lobt Amon. Nach seinen Eindrücken aus dem Wahlkampf bleibt für ihn die Frage offen, wer von den Kanzlerkandidaten das Land künftig so ruhig nach außen repräsentieren kann. Gerade bei Armin Laschet und Baerbock sieht er da Probleme, weil sie in den Triellen bei Angriffen oft grantig reagiert hätten. Auch Hubertus sagt: „Ich kann mir weltpolitisch gerade keinen der Kandidaten vorstellen, wie er oder sie sich gegen Putin oder Xi Jingping durchsetzen soll.“