Wenn ein rotes Dach fast schwarz wird
THALE/MZ. - Es hat länger gedauert als erwartet, etwa fünf Monate. Nach anfänglicher Abfahrt der Erdmassen im Ringverkehr über Rosstrappen- und Wolfsburgstraße in Thale konnte nur noch die Wolfsburgstraße genutzt werden (die MZ berichtete). 25 Lkw, nicht jeden, aber dann dreimal am Tag, rollten schwer beladen durch die Wolfsburgstraße. Sie transportierten den abgebaggerten alten Bahndamm aus dem für die Industrieansiedlung vorgesehenen Areal "Lager Wiese" ab.
Für die Anwohner ist das seit dem 19. Juni vergangenen Jahres oft ein Härtetest. Neben Schlamm und Lärm war es vor allem Staub, der aufgewirbelt wurde. Familie Kramer hatte mal ein neugedecktes rotes Dach. Inzwischen neigt die Farbe sich zu schwarz. Der Staub hat sich auf das Grundstück gelegt. "Im Sommer konnten wir nicht mehr draußen sitzen", sagt Gudrun Kramer. Ihr Mann Gerd sieht ein, dass solch eine Baumaßnahme mit einigen Erschwernissen verbunden ist. "Da habe ich noch Verständnis", meint er. Wenn aber die kleine Kehrmaschine kommt und, ohne den Staub zu befeuchten, kehrt, hört das Verständnis auf, bekennt er zugleich. Bedenken hat er auch, weil der Abraum des Bahndamms kontaminiert ist und auf eine Spezialdeponie nach Dessau gefahren wird. Der Staub dürfte also nicht besser sein.
Kramers, heute beide Rentner, wohnen auf der bodeseitigen Straßenhälfte seit über 40 Jahren, haben nach der Wende das Grundstück gekauft, das etwas tiefer als das Straßenniveau liegt. Ihr Grundstück befindet sich fast direkt an der Ausfahrt von "Lager Wiese". So sind sie am stärksten von der Staubentwicklung betroffen, wenn die Lkw das Gelände verlassen und auf die Straße fahren. Gerd Kramer hatte gehofft, dass etwas mehr Entgegenkommen gezeigt worden wäre, weniger Staub hätte wohl auch eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km / h gebracht. Die soll auch im Gespräch gewesen, dann aber verworfen worden sein, da die Abriss- und Transportarbeiten am 15. April enden.
Für Familie Kramer geht es nun vor allem darum, dass der alte Zustand wieder hergestellt wird, also ihr Dach und Haus gereinigt werden. Eine mündliche Zusage habe es vom Transportunternehmen gegeben. Unmittelbar an einem Industriegebiet zu liegen, war für Kramers bisher kein Problem. Das direkt gegenüberliegende Unternehmen habe alles getan, damit die Wohnqualität nicht eingeschränkt werde. So sollte es auch sein, denkt Familie Kramer. Zwar ist am 15. April erst einmal Schluss mit den Arbeiten, doch im kommenden Jahr erfolgt der Bau der Industriestraße West, die unweit ihres Grundstückes die Wolfsburgstraße einbindet.
Kramers haben mit Gefährdungen ihres Hauses schon böse Erfahrungen gemacht. Vor 25 Jahren, 1984, durchschlug ein Holztransporter die Hauswand. Das Fahrzeug war schwer beladen von der Rosstrappe herunter gekommen, da versagten die Bremsen und der W-50 rutschte die Böschung herunter. Das war um 14 Uhr. Gerd Kramer hat Fotos von damals, die er in einem Briefumschlag aufbewahrt. Da steht das Datum und die Uhrzeit drauf, als der Lkw abrutschte und das Haus in Mitleidenschaft zog.