Thale Thale: Ein Ringelpietz am toten Vulkan
THALE/MZ. - Und so war es auch: Susanne Lemke besuchte Thales "Lange Nacht der Hexen" als Abgesandte des "Herr der Ringe"-Kontinents Mittelerde. "Ich bin Arwen, Arwen Abendstern", schmunzelte die so genannte Elbin. Sie sei eine gute Hexe, obwohl sie den "bösen Ring" am Halse trüge. Ihre Töchter Elisabeth (8) und Marianna (10) spielten den Elben-Nachwuchs. Ihre Mutter gehörte zu den wenigen ausgewachsenen Nachtschwärmern, die sich am Sonnabend in einem solchen Habit ins Getümmel warfen. Obwohl die Organisatoren in diesem Fall einen Preisnachlass von 50 Cent versprachen.
Doch deshalb waren auch Julia Schäper (28) und Ehemann Sven (35) nicht nach Thale gereist. Die beiden Magdeburger - standesgemäß mit Hakennase, Kopftuch, Wickelrock bzw. Hörnern geschmückt - hatten vor 14 Tagen im Bodetal Urlaub gemacht. Und wollten Sohn Tobias (9) den Hexenspaß gönnen.
Das Bauspielhaus war auch diesmal der "verhexte" Treffpunkt des jungen Höllen-Volkes. Gegen 15.30 Uhr hatte die Hauskasse bereits 523 große und kleine Besucher registriert. Als der aus dem Westharzer Osterode angereiste Fanfarenzug drei Stunden später zum großen Fackelmarsch blies, sprach Spielhaus-Chefin Petra Neubert gar von etwa 800 Besuchern. Allerdings wurde der als Höhepunkt angekündigte "Feuertanz" ein klanglos verpuffender Ringelreigen. Der sechs Meter hohe Kletterberg sollte zum glühenden Vulkan mutieren, doch die Lichtquellen versagten ihren Dienst. Und weil es, was nicht nur Eltern und Musiker bedauerten, keine zentrale, überall hörbare Moderation gab, konnte Chef-Animateur Martin Danielzik angesichts des Höllenlärms nur wenige Kinder für den Tanz um den Vulkan rekrutieren.
Dagegen leuchten die zahlreichen Kürbis-Mondgesichter, die den Weg der Lampionträger bis ins Bodetal markierten, zuverlässig und zauberten eine mystische Atmosphäre. Die entstand auch im Hüttenmuseum, als Inge von Koppelow (Magdeburg) wieder ihre Kobold- und Hexengeschichten las und Arnfried Müller (Güntersberge) seine Zinnhexen goss. Häufige Frage an den Meister: Wie bekomme ich Silvester halbwegs deutbare Objekte gegossen? Doch da wusste auch Müller nichts Neues zu berichten.
Wer noch nie des Nachts mit einem Flieger in den Himmel stieg, konnte das am Sonnabend per Seilbahn imitieren. Waren doch auch die Start- und Landepisten der Gondeln mit strahlenden Kürbis-Schädeln markiert. Im Vorfeld der Talstation leuchteten zehn kegelartige Pyramiden, die Kabinen selbst trugen grüne Lichterketten, ein faszinierender Anblick für Bodetal-Gänger. Der Hexentanzplatz war jedoch schon um 21 Uhr gespenstisch leer.
Im Tierpark, der wieder "Augen der Nacht" präsentierte, begoss das Personal die nahende Nachtruhe. "Diesmal gibt es keine Kunst und Bühne", hatte Tierpark-Leiter Uwe Köhler bereits Tage zuvor angekündigt. 2008 hatte noch die Dessauer Erfolgsband "Down Below" auf dem Berg gespielt. Weil zwischen Wolfsgehege und Bärenanlage "so wenig los war", entschloss sich Thales Chef-Hexe Watelinde (Martina Spier) zu einer improvisierten One-Women-Show, mit Sohn Edgar und Nichte Janine im Gefolge. Die großen Hexen und ihre Busenfreunde konnten bis in den frühen Morgen abtanzen. Allerdings auch hier ohne Bühnen-Profis.
Die dritte Hexen-Nacht hatte 2008 ein schmerzliches Defizit hinterlassen, gestand Veranstaltungsmanager Sebastian Suhr. Dafür sei nicht zuletzt die "Jump auf Tour"-Party verantwortlich gewesen. Weil die Show der MDR-Musikwelle "zu teuer" sei, saßen statt des "Jump-DJ-Teams" in der Aftershow-Party des Klubhauses nun zwei "regionale DJ's" an den Reglern, den Part der "Jump-Dancer" übernahmen einheimische Go-Go-Girls.
Der so genannte Hexenball in der "Grubenlampe" kam sogar gänzlich ohne Extras aus. Teufelsstrip? "Bei uns gibt's auch ohne Programm immer Stimmung", hieß es vom Lokalpersonal. Hexenmenü? "Wir haben unsere ganze Karte im Angebot." Satanische Drinks? "Schon möglich, dass unsere Cocktails auf manche Leute eine teuflische Wirkung haben."
Die Geschäfte in Nachbarschaft der "Grubenlampe" ignorierten fast vollständig die "Lange Nacht der Hexen". Statt der - wie angekündigt - "vielen Geschäfte" öffneten nur fünf Läden bis 20 Uhr. Dafür zauberte Dieter Wittchen diesmal einen "Rotwein-Hof", der dank der imposanten Laubfärbung seine bisherigen Hof-Kreationen in den Schatten stellte.
Ob es 2010 eine fünfte Hexen-Nacht geben wird, ist ungewiss. Die Stadt hat sich aus der Organisation weitgehend zurückgezogen, die nun die Thalenser Marketing-Agentur HarzVision OHG übernahm. Geschäftsführer Michael Hesse gestand, dass die vierte Nacht-Ausgabe sonst "ins Wasser gefallen" wäre. So hätten die Noch-Beteiligen versucht, eine "Sparversion mit wenig Geld auf die Beine zu stellen".
Und so gab es diesmal weder eine Kinderdisko noch die vorjährige "Räuberschenke", keine Feuershow und keine "Night-Flight-Session" der Dirt-Radler, keine "Teufelssitzung" und nur ein privates Feuerwerk. Der Preis von 9,99 Euro blieb trotzdem unverändert. Insofern hielt die auch überregionale Werbung, die selbst Rundfunk und Eisenbahn einbezog, nicht das, was sie versprach. Vor allem auswärtige Besucher werden enttäuscht gewesen sein. Denn Thale war keineswegs - wie versprochen - ein "Hexenkessel". Die Bodestadt bot allenfalls einen "Langen Abend der Hexlein".