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Stadt-Neurotiker wirft die Nebelmaschine an

Von Uwe Kraus 13.11.2006, 14:48

Quedlinburg/MZ. - Doch New York, wo Pelican in einem Hotel in der keineswegs edlen 43. Straße als Portier hockt, gilt nun mal als Treffpunkt der Stadt-Neurotiker.

Dieses Klischee kostet das 1975 uraufgeführte Stück in Regie von Peter Lüder über pausenlose 61 Minuten auch weidlich aus. In dem düsteren Gefühlschaos ist der Schauspieler Mathias Kusche mit seiner wandlungsfähigen, zuweilen auch einfühlsamen Doppel-Darstellung ein Lichtblick. In der Ausstattung von Suse Tobisch gelingt es ihm souverän, die gespaltene Persönlichkeit des gejagten, erfolglosen Autors und schrägen Typs zu verkörpern. Mit seiner Nebelmaschine macht er das Geschehen zunehmend nebulöser. Auch fehlt es in der Tragikomödie, wie es auf dem Programm-Zettel steht, nicht an aktuellen Bezügen auf islamistische Bedrohung und die zunehmende Angst vor Anschlägen durch Attentäter, die natürlich nicht in arabischer Kleidung mit einem Trolley-Koffer zu ihrer Mission aufbrechen. Achmed Chort spielt auf Eleven Ground Zero an, wirft Afghanistan ein und taucht mit einer alten sowjetischen Waffe auf. Doch wer er wirklich ist, bleibt im Nebel; gewendeter KGB-Agent, Leonards alter ego oder doch der Abgesandte eines ominösen Schurkenstaates?

Mathias Kusche wechselt behände von einer Figur in die andere, ist Jäger und Gejagter in einer Person. Er sieht Käfer, zertritt sie, fühlt sich verfolgt, hört Stimmen und halluziniert. Sein Draht nach außen ist das Telefon, mit dem er einem Gast eine alte Nutte ordert, seinen Literatur-Agenten anbettelt oder seine quengelnde Frau beschimpft. Währenddessen setzt sich der ächzende Fahrstuhl in Bewegung, später schiebt sich eine Hand mit einer Pistole um die Ecke. Das rote Telefon quillt auf, eine Tür wird verschlossen, so dass Pelican zur Axt greift und die Holzsplitter bis in die zweite Zuschauerreihe fliegen lässt. Das Manuskript seines Tagebuchs eines wahnsinnigen Künstlers segelt seitenweise durch die Luft, ein umgekippter Schreibtisch wird zum Versteck und zur Barrikade. Zum Schluss liegt alles in Splittern und Scherben. Der Zuschauer flieht in sein aufgeräumtes Heim oder in ein Hotel, in dem kein Pelican an der Rezeption hockt, der unter Realitäts- und Kreativitätsverlust leidet.

"Duett" wieder am 19. November, 15 Uhr in der Kammerbühne Halberstadt