Prozess nach Facebook-Post Sexuelle Belästigung beim Klassentreffen in Quedlinburg? Paar wegen Verleumdung bei Facebook vor Gericht
Quedlinburg - Im Sommer 2016 starten ehemalige Mitschüler ein Klassentreffen in einem Quedlinburger Restaurant. Es wird ein geselliger Abend mit reichlich Alkohol. Und einem alles andere als harmonischen Ende:
Noch in der Nacht wird in der Facebook-Gruppe der Klassenkameraden ein Eintrag veröffentlicht. Darin berichtet eine Frau, auf der Fahrt im Auto eines ehemaligen Mitschülers durch zwei andere, die namentlich benannt werden, sexuell belästigt worden zu sein.
Frau schrieb, sie sei von ehemaligem Mitschüler sexuell belästigt worden
Jetzt mussten sich die 31-Jährige und ihr 35-jähriger Lebensgefährte vor dem Amtsgericht Quedlinburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen Verleumdung vor: Sie sollen wider besseres Wissen unwahre Tatsachen behauptet haben.
„Es war lustig, es war toll“, sagte die 31-Jährige vor Gericht über den Abend. So toll, dass sie länger blieb als ursprünglich beabsichtigt, und sich daher eine neue Mitfahrgelegenheit zu ihrer in einem anderen Ort gebuchten Unterkunft suchte.
Sie schilderte aber auch, dass einer der beiden Männer, die sie später laut ihren Angaben belästigt hätten, ihr in dem Lokal gegenüber gesessen und gefüßelt habe. Sie habe sich das verbeten. „Das hat mich echt gestört.“ Sie habe an jenem Abend auch einer Klassenkameradin davon erzählt.
„Ich war sehr erschrocken und sagte sofort: Nein, lass das“
Das Auto, in dem insgesamt vier Männer und sie die Fahrt zu ihren Unterkünften angetreten hätten, sei ein Zweitürer gewesen. Sie habe auf der Rückbank zwischen zwei ehemaligen Mitschülern gesessen. Der eine habe gleich geschlafen. Plötzlich habe sie bemerkt, dass die rechte Hand des anderen an ihrer Brust gewesen sei.
„Ich war sehr erschrocken und sagte sofort: Nein, lass das“, schilderte die Angeklagte. Ihr Mitschüler habe gemeint: „War doch nur Spaß.“ Kurz danach habe der Beifahrer sich zu ihr umgedreht. „Dann war seine Hand an meinem Fuß, meinem Bein, zwischen meinen Beinen.“
„Sie hat geweint, gezittert, war völlig verstört“
Auch ihm habe sie gesagt, er solle aufhören. Als dann noch einer der Männer meinte, man würde sie nicht an der Unterkunft absetzen, sondern mitnehmen, habe sie Angst bekommen. Sie habe den Fahrer gebeten, sie rauszulassen, was dieser aber erst getan hätte, nachdem der Ort erreicht war, in dem sich ihr Unterkunftsort befand. Und sie habe ihren Lebensgefährten angerufen.
Dieser berichtete, ihr entgegengegangen zu sein. „Sie hat geweint, gezittert, war völlig verstört.“ Sie habe zunächst auch nicht genau erzählen wollen, was passiert sei; nach dem, was sie gesagt und er gesehen habe, habe er befürchtet, dass sie vergewaltigt worden sei.
„Dann habe ich die Fassung verloren“, sagte der Freund der Frau
„Dann habe ich die Fassung verloren“, sagte der 35-Jährige. Er habe versucht, die Männer anzurufen. Als er niemanden erreichte, schrieb er mit dem Handy der Frau bei Facebook. „Heute würde ich das nicht mehr machen“, so der 35-Jährige.
Was der 31-Jährige, der an jenem Abend das Auto fuhr, vor Gericht schilderte, wich deutlich von den Aussagen der Angeklagten ab. Er erklärte, einen SUV zu besitzen. Die 31-Jährige habe hinter dem Beifahrer gesessen.
Fahrer schildert die Situation ganz anders
Belästigungen habe er ebenso wenig bemerkt wie eine Aufforderung der Frau, sie sofort aus dem Auto zu lassen. Er habe sie vor ihrer Unterkunft abgesetzt; von den anderen Insassen sei niemand ausgestiegen. Allerdings hatten zwei der Männer bei der Polizei ausgesagt, ausgestiegen zu sein.
Trotz Aufforderung des Gerichts, die Wahrheit zu sagen, blieb der 31-Jährige bei seiner Darstellung. Er erklärte aber plötzlich, dass der Beifahrer mit beiden Händen nach hinten um den Sitz gegriffen habe - etwas, was er zuvor nie erwähnt hatte.
Mutmaßliches Opfer erstattete keine Anzeige, sondern die bei Facebook genannten Männer
Zwei Mitschülerinnen, die das Gericht zum Verlauf des Abends hörte, konnten auch nicht mehr Licht ins Dunkel bringen. Beide sagten, dass sie nicht bemerkt hätten, dass sich die 31-Jährige irgendwann unwohl gefühlt hätte.
Die 31-Jährige selbst hatte keine Anzeige erstattet. Anzeige erstattet hatten aber die beiden in dem Facebook-Text genannten Männer. Letztlich stellte das Gericht, dem Vorschlag der Staatsanwaltschaft folgend, das Verfahren gegen die beiden Angeklagten ein.
Der 35-Jährige hatte bereits erklärt, sein Handeln zu bedauern. Die 31-Jährige war 2017 wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden. Wenn sich erwiesen hätte, dass sie tatsächlich der Verleumdung schuldig wäre, dann wäre die damit zu bildende Gesamtstrafe nur geringfügig höher gewesen. (mz)