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Quedlinburg Quedlinburg: Viel Helau am Rosensonntag

Von Rainer Marschel 19.02.2012, 18:45
Dick angezogen waren die Damen der Stiftsgarde auf der Ladefläche des THW-LKW. Sie verteilten von dort gute Laune und Kamellen. (FOTO: CHRIS WOHLFELD)
Dick angezogen waren die Damen der Stiftsgarde auf der Ladefläche des THW-LKW. Sie verteilten von dort gute Laune und Kamellen. (FOTO: CHRIS WOHLFELD) Urheber: Chris Wohlfeld

quedlinburg/MZ. - Wir sehen das hier nicht so verbissen wie die Kölner Jecken", meint Stadthauptmann und QCV-Gründungsmitglied Hartmut Schulze selbstbewusst beim Blick auf die Uhr. Als sich der Tross des Quedlinburger Carneal Vereins am Sonntagmittag im Neuen Weg in Bewegung setzt, ist 11.11 Uhr schon um schlappe sieben Minuten überschritten. Der Stimmung tut das keinerlei Abbruch, im Gegenteil! So kann man sich auf den geschmückten Wagen schon mal etwas länger warmsingen. Bei dem frischen "Glühwein-Wetter" mit böigem Wind, aber zum Glück ohne Regen, durchaus sinnvoll.

Die Rede ist vom 22. Karnevalsumzug durch die Stadt, wenn man die "anfänglichen kleinen rund ums Rathaus mitzählt", so QCV-Präsident Dietmar Schuda. Dieser verwies im MZ-Interview auf 450 Jahre Brauchtum rund um den Karneval.

Das Sessionsthema in diesem Jahr: "Ritter, Gaukler, Schlossverwalter - Karneval im Mittelalter". So führen dann auch historische Fastnachtsfiguren, Trommler, Teufel und Feuerschlucker den närrischen Tross an. Letztere leider ohne Feuer. Dafür aber lautstark von den Schlachtrufen einer Hexe zum Mitmachen animiert: abwechselnd an die Adresse der QCV-Jecken und die zu hunderten die Straßen säumenden Schaulustigen mit ihren umgedrehten Regenschirmen.

Kamellen ohne Ende

Insgesamt dürften in diesem Jahr mindestens 1 000 Kilo Süßigkeiten unters Narrenvolk gebracht worden sein. Dazu noch kleine Kuscheltiere oder Spielzeug - wenn man Glück hat. Der kleine Quedlinburger Lukas Langner (10) hat sich mit ausgeprägter Halloween-Erfahrung vorgenommen, "etwa ein bis zwei Kilo" mit seinem Schirm aufzufangen. Es habe, wie Anfang der neunziger Jahre, schon Karnevalsumzüge bei Minus 20 Grad gegeben, aber "ausgefallen ist wegen schlechten Wetters noch kein einziger", so Schuda rückblickend.

Der Umzug ging übrigens mit einer Premiere über die Bühne, da sich mit Ingo I. und Bea I. erstmals das Landesprinzenpaar Sachsen-Anhalts in den Zug der Nordharzer einreihte. Beide aus dem Salzatal Karnevalsverein "HSKV". Ingo I. : "Wir sind jetzt 17 Jahre ein Paar, also noch in der Kennlernphase!" Beide hatten am Sonntag in Quedlinburg ihren 35. Auftritt in der laufenden Session.

Deren Pendant waren das Quedlinburger Prinzenpaar Rüdiger III. sowie Katrin II. Sie waren in dieser Rolle nach 2011 jetzt zum zweiten Mal: "Ein drittes Mal wird es aber definitiv nicht geben. Denn wenn es am schönsten ist, soll man bekanntlich aufhören", so Rüdiger III., sichtlich gut gelaunt schon vor dem eigentlichen Karnevalsumzug im Cabrio "thronend". Beide stammen bekanntlich aus Halle / S., so dass die Nachfolge, außer im Bundespräsidialamt, auch in der Welterbestadt über kurz oder lang geklärt werden muss. "Es gibt zwar schon jemanden, aber die beiden wollen noch inkognito bleiben", so Dietmar Schuda.

eErst nach über einer Stunde war mit dem Marktplatz das eigentliche Ziel erreicht. Dort defiliert unter den karnevalistischen Schlachtrufen und einem vielfachen "Quedlinburg Helau" der Zug der Jecken vorbei.

Darunter tummeln sich auch die befreundeten Karnevalsvereine mit mindestens 60 Narren allein aus Güntersberge, aber auch aus Warnstedt sowie die Altstädter Schützengilde Hubertus.

Kurz dahinter folgt ein Kremser mit den Veteranen aus dem "Azurit"-Seniorenheim. Schön anzusehen auch die Tanzmäuse vom 1. Country- und Linedanceclub Quedlinburg, der am 9. Juni sein zehnjähriges Jubiläum in der "Boxhornschanze" feiert. "Uns fehlen noch Männer", sagt Vereinsvorsitzende Brigitte Arnold im Vorbeitanzen.

Auf einem der geschmückten Wagen schaut Angela Merkel oben aus einem kurz vor der Eruption stehenden Vulkan heraus - eine Anspielung auf den millionenschweren Finanztransfer zur Rettung Griechenlands.

Bellen statt Wiehern

Eine echte Bereicherung im Umzug stellen auch die Reiter des Westernvereins Vorharz aus Westerhausen dar. Der Quedlinburger Karnevalsumzug ist für die Pferdefreunde "von Anfang an ein ganz fester Termin im Jahreskalender", meint der Wienröder Herold Wolter. Sein mitmarschierender Vierbeiner war allerdings nicht zum Wiehern imstande, zum Bellen sehr wohl: "Der ist noch zu jung und muss sich an den Trubel erst gewöhnen."

Doch vorher hat auch Oberbürgermeister Eberhard Brecht mit Narrenkappe reichlich Gelegenheit, von einem der geschmückten Wagen Kamelle zu verteilen: "Quedlinburger Karneval legt den Schwerpunkt auf karnevalistischen Tanz. In anderen Hochburgen sind es mehr die Büttenreden. Aber es ist bei uns eben auch dieser tolle Umzug durch die Stadt, der jedes Jahr schöner wird." Später bekommt er auf den Rathaustreppen aus den Händen des QCV-Präsidenten den "Senatoren-Orden" für sein Lebenswerk zugunsten der Stadt: "Es gibt sicher viele widerstreitende Dinge. Aber er hat zweifelsohne für Quedlinburg etwas geschaffen." Sagt es, um im Nebensatz zu ergänzen und einzuschränken: "Es ist aber nur der zweithöchste Orden, den wir zu verteilen haben. Es wäre also noch steigerungsfähig."