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Quedlinburg stellt sich quer

Von Sigrid Dillge 24.08.2008, 16:21

Quedlinburg/MZ. - Fünf Minuten lang läuteten die Glocken der Quedlinburger Kirchen während der Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz, bei der der stellvertretende Superintendent des Kirchenkreises Halberstadt, Martin Gens, seine Hoffnung äußerte, dass es das letzte Mal ist, dass Nazis in der Stadt demonstrieren. Auf seinem Weg zur Bossewiese machten die Gegendemonstranten einen Zwischenstopp an der Oeringer Straße. Ex-Bürgermeister Rudolf Röhricht erinnerte dort an den Überfall auf das einst dort vorhandene Asylbewerberheim im Jahr 1992. Die Bürger-Mahnwache, die sich damals vor dem Haus postierte, sei das erste Zeichen gegen Neonazis gewesen. "Seither haben wir bereits öfter gezeigt, dass Quedlinburg nichts mit Rechten zu tun haben will. Wir wollen, dass unsere Stadt bunt bleibt", sagte er.

Auf der Bossewiese bekräftigten weitere Redner diesen Standpunkt. Und zeigten mit vielen Ideen wie gemeinsam gegen Fremdenfeindlichkeit und für Toleranz vorgegangen werden kann. Laute Rhythmen, selbst gebackener Kuchen, Sportangebote für Jung und Alt, zum Klettern oder Balancieren, und vor allem viel Spaß gehörten dazu. Demonstration und Fest verliefen ohne Störungen.

Am Rande der Strecke, die der Zug der Neonazis nahm, äußerten mehrere Menschen ihren Unmut. Pfui-Rufe hallten von der Terrasse des Münzenberg-Cafés. "Wir haben das alles schon einmal erlebt und wollen nicht, dass es wieder braune Machthaber gibt", äußerte ein nicht genannt sein wollender Rentner aus Quedlinburg. Eine geplante Zwischenkundgebung der Rechten auf dem Carl-Ritter-Platz konnte dort wegen einer Mahnwache Quedlinburger Bürger nicht durchgeführt werden. Zudem stand für die Kundgebung kein Redner zur Verfügung.

Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften in Quedlinburg im Einsatz. Laut Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord mussten zur Verhinderung gewaltsamer Auseinandersetzungen elf Personen der linken Szene, die wiederholt versuchten, direkt an den Aufzug der rechten Szene zu gelangen, kurzfristig von der Polizei vor Ort festgehalten werden. Insgesamt seien sieben Strafverfahren überwiegend wegen Beleidigung eingeleitet worden. Ein Strafverfahren wegen wechselseitig begangener Körperverletzung bezieht sich auf eine Auseinandersetzung zwischen zwei Teilnehmern der rechten Demonstration, heißt es in einer Pressemitteilung. Für die durch die polizeilichen Maßnahmen entstandenen Behinderungen in Quedlinburg bittet die Polizei um Verständnis.