Quedlinburg Quedlinburg: Rarität kann nur per Hand gedreht werden
QUEDLINBURG/MZ. - "Viele wissen nicht davon", sagt Jan Fröhlich: In der Frachtstraße 8a in Quedlinburg befindet sich die wahrscheinlich älteste noch betriebsfähige Eisenbahndrehscheibe Deutschlands, die nur per Handkurbel zu bedienen ist. Fröhlich hat mit seinem Bruder Toni, der in Hamburg lebt, ein rund 3 000 Quadratmeter großes Grundstück an den Bahnschienen gekauft. Nachbarn sind die Quedlinburger Stadtwerke, die bereit sind, 200 Quadratmeter ihres Grundstückes abzugeben, damit Fröhlich eine ordentliche Zufahrt erhält. Außer der Drehscheibe steht auf dem Gelände ein Lokschuppen mit Anbauten, in denen sich Wohnraum befand, und ein Schrankenwärterhäuschen.
"Die Bahn war erfreut einen Käufer gefunden zu haben", weiß der 31-jährige Fröhlich. Nachdem seine Mutter mit ihrem Lebensgefährten die Idee aufgebracht hatten, das Gelände zu kaufen, bemühte sich der Sohn und alles ging ganz schnell. Die neuen Eigentümer wollen das geschichtsträchtige Areal nun entsprechend sanieren und herrichten. Im Parterre im Anbau entsteht eine Wohnung für die Mutter und ihren Lebensgefährten.
Die anderen Zimmer sollen zu einer Herberge für Radtouristen werden. "So etwas gibt es in Quedlinburg noch nicht", sagt Fröhlich: "Anderswo aber schon und wird dort gut angenommen. Das sind erste Ideen. Wir haben keine Eile. Der Lokschuppen könnte irgendwann auch für Veranstaltungen über den familiären Rahmen hinaus genutzt werden." Wie? Da sei noch alles offen. Fest im Blick ist dagegen die Anschaffung von ein oder zwei alten Waggons, die auf die noch vorhandenen Schienen gestellt werden. Diese gastronomisch zu nutzen, wäre eine Option.
Als Fröhlich, der als Verwaltungsangestellter bei der Paracelsusklinik in Bad Suderode arbeitet, das Grundstück vor wenigen Monaten übernahm, war es ein Dschungel. Das Gras stand meterhoch. Bäume und Sträucher dominierten das Areal. Das hat sich mit Unterstützung von Verwandten und Freunden geändert. Inzwischen wird auch eifrig am Lokschuppen, Höhe 9,90 Meter, gearbeitet. Das Dach ist wieder dicht. Türen, zum Teil vom Depot für historische Baustoffe der Stadt, werden aufgearbeitet. Die Beleuchtung funktioniert schon.
Der Schuppen bot einst Unterstellmöglichkeiten für zwei Lokomotiven. Noch zu DDR-Zeiten soll er in Betrieb gewesen sein, wobei ein Teil schon vor Jahren so umgebaut wurde, dass nur noch eine Lok einfahren kann. Der andere Bereich wurde als Lager mit Trennwänden versehen. Das Wohngebäude wurde bereits 1892 angebaut und war nach Erkundigungen von Fröhlich auch nach 1990 noch vermietet.
Die Schienen im und vor dem Lokschuppen enden nur wenige Meter vor den heutigen Gleisen der Bahn. Die Schwellen auf dem kurzen Stück bestehen kurioserweise sowohl aus Holz als auch aus Beton und Stahl. Erbaut wurde der Lokschuppen 1889, ebenso wie die Drehscheibe. Sie ist wieder fast vollständig betriebsbereit. "Wir müssen sie mal fetten, dann lässt sie sich sicher ganz herumdrehen", sagt der Eigentümer, der intensiv im Internet recherchiert hat. Da hat er erfahren, dass sie wahrscheinlich die älteste noch betriebsfähige, per Handkurbel zu betätigende Drehscheibe in Deutschland ist. Ein Schild weist darauf hin, dass der Durchmesser, die Länge, 14 Meter beträgt und die Tragfähigkeit 80 mp (Megapond). Das angegebene Datum 02. 04. 94 lässt darauf schließen, dass die Betriebsfähigkeit bis zu diesem Zeitpunkt genehmigt war.
Zum Tag des offenen Denkmals, am Sonntag, 11. September, ist das Grundstück Frachtstraße 8a, gegenüber der Einfahrt Kaufland, von 11 bis 18 Uhr für Interessenten geöffnet. Lokschuppen und Drehscheibe können dann in Augenschein genommen werden.