Quedlinburg Quedlinburg: Kostenlos durch den Harz

QUEDLINBURG/WERNIGERODE/MZ. - Seit über 15 Monaten können Touristen im Landkreis Harz die Busse des öffentlichen Personennahverkehrs damit kostenlos nutzen. Das betrifft die Bus-und Straßenbahnlinien der Harzer Verkehrsbetriebe, Q-Bus, der Halber-städter Busbetriebe, der Halber-städter Verkehrs-GmbH und der Verkehrsgesellschaft Südharz. Das Harzer Urlaubsticket soll schrittweise im gesamten Harz, der sich über fünf Landkreise in drei Bundesländern erstreckt, eingeführt werden, erklärte Thomas Müller, Vorstand der Harz AG, die für dieses Projekt verantwortlich zeichnet.
Gestartet wurde das Projekt im Januar 2010 in Wernigerode und Blankenburg. Mitte des Jahres kamen dann die Stadt Thale und Ilsenburg dazu, erklärte Harz AG-Projektmanagerin Kati Müller. In diesem Jahr beteiligt sich auch Stadt Oberharz am Brocken.
Zahlreiche Hotels und Pensionen werden die Freifahrttickets mit der Kurtaxe abgeben. In solchen wichtigen Städten wie Halberstadt, wo keine Kurtaxe erhoben wird, bieten sich die Hotels "Villa Heine" und das "Jagschloss Spiegelsberge" als Hatix-Partner an. "Dies kann aber nur eine Ausnahme sein", betonte der Vorstand. Und: "Wir haben uns bewusst entschieden, die Finanzierung des Hatix von 30 Cent inklusive Mehrwertsteuer pro Übernachtung und Kurgast mit der Erhebung der Kurtaxe zu verbinden." Damit sollen das Abrechnungsverfahren und die Zahl der Partner übersichtlich bleiben. Brutto 1,19 Cent von den 30 Cent werden für Verwaltungskosten und das Marketing eingesetzt, ergänzte die Projektmanagerin. Im vergangenen Jahr sei man mit der Umlage ausgekommen.
Als Vorreiter bei der kostenlosen Busnutzung für Kurkarten-Inhaber gilt Wernigerode. Die Stadt hatte bereits 2001 ein ähnliches System eingeführt. Damit leistete man "einen Beitrag zum qualitativ hochwertigen Bussystem", wie es damals zur Projekt-Einführung hieß. Rund eine Million Fahrgäste nutzen jährlich die Stadtbusse. Von den etwa 450 000 Gästen, die 1,80 Euro Kurtaxe pro Tag zahlen, habe 2009 jeder Dritte das damalige Wernigerode-Ticket fürs kostenlose Busfahren genutzt. Gerade von den Gästen des Hasseröder Ferienparks wird das Angebot gern und kontinuierlich steigend genutzt. Sie lassen ihr Auto stehen und pendeln zu den touristischen Attraktionen. Somit rücken Schierke, der Domschatz in der Kreisstadt Halberstadt, Blankenburg und die Unesco-Welterbestadt Quedlinburg noch enger zusammen.
"Allein 14 000 Hatix-Übernachtungsgäste haben die Buslinie 21 Wernigerode-Quedlinburg genutzt". Dies sei schon beachtlich, resümierte Thomas Müller. Vom 1. Juni bis 31. Oktober 2009 vergangenen Jahres fuhren rund 6 800 Fahrgäste mit der Linie 264, dem so genannten Bodetal-Bus. Im gleichen Zeitraum 2010 waren es schon 9 400, davon allein 4 800 Hatix-Nutzer, wie aus der Stadt Thale zu erfahren war. Eine Steigerung um fast ein Drittel sei ebenfalls in diesem Zeitraumvergleich bei der Buslinie 263 (Blankenburg - Treseburg) zu erkennen. Von 2009 zu 2010 stieg die Zahl von 4 420 auf 6 580, von denen 3 200 Fahrgäste das Hatix besaßen. Linien, die eigentlich aus wirtschaftlichen Gründen wegfallen würden, können auf diese Weise sogar gerettet werden. So habe die Aktion nämlich die Linie 18 auf dem Streckenabschnitt Thale-Friedrichsbrunn vor dem Aus gerettet. Diese Verbindung sei selten genutzt worden, wurde jedoch durch das Touristenticket wieder attraktiver, weiß auch der Geschäftsführer der Q-Bus-Nahverkehrsgesellschaft Johannes Knoppik zu berichten.
Er reagierte angesichts der jüngsten Kritik aus Gernrode, Rieder und Bad Suderode zur ablehnenden Hatix-Einführung mit Unverständnis. "Gerade der Bereich Gernrode und Bad Suderode wird von uns sehr gut bedient, zählt zu den besten Busanbindungen im Q-Busbereich", ist er sich sicher. "Von einem ausgedünnten Busverbindungsnetz kann deshalb keine Rede sein." Auch was die fehlende öffentliche Busanbindung des Campingplatzes Bremer Teich bei Gernrode und der Kurklinik Bad Suderode anbetrifft, könnte in Absprache mit den Betreibern und bei entsprechenden Bedarf ein Pendelverkehr zur nächsten Bushaltestelle an den Hauptstraßen organisiert werden, meinte er und weiß sich damit eins mit dem Harz AG-Vorstand.
Aus wirtschaftlichen Gründen wurden Linienverbindungen gekürzt, gesteht Knoppik, weil es einfach keinen Bedarf für bestimmte Strecken gab. Er verwies auch darauf, dass es allerdings auch "zahlreiche Kombinations- und Umsteigemöglichkeiten" gebe. Mit der Einführung des Hatix, so meinte er weiter, besteht eine echte Chance, zusätzliche Verbindungen zu schaffen. Knoppik und Müller sind sich aber darin einig: "Wir können aber nicht das Pferd von hinten aufzäumen."
Soll heißen, die Orte, die Kurtaxe erheben, müssen auch beschließen, dass sie sich beteiligen wollen. Es könne keiner in Vorleistung gehen, um neue Linien oder zusätzliche Fahrten anzubieten. Darüber könne dann in Rahmen einer Arbeitsgruppe geredet werden, wie auch Projektleiterin Kati Müller betonte. "Je mehr Kommunen sich beteiligen, je mehr Angebote können geschaffen werden."
Sie unterstrich ausdrücklich, dass nicht die Kommunen das kostenlose Fahrangebot quer durch den Harz finanzieren, sondern die Kurgäste selber. Bei einem Aufenthalt von rund drei Tagen fallen da gerade einmal 90 Cent pro Übernachtungsgast an.
Thomas Müller sieht für die teilnehmenden Kurorte eine weitere Chance. Erfahrungen haben gezeigt, dass die Gäste gezielt nach dem Hatix-Angebot nachfragen und so die Meldemoral verbessert wird. " Wir wollen erreichen, dass sich die Gäste in der gesamten Region kreuz und quer bewegen", meinte Vorstand Müller. Der Landkreis Goslar habe bereits sein Interesse signalisiert. Gespräche gibt es auch mit der Stadt Sangerhausen und mit Stolberg sowie dem Landkreis Nordhausen.
Mit dem Harz-Elbe-Express (Hex), der DB Regio und der Nahverkehrsgesellschaft Sachsen-Anhalt sei man weiter in Kontakt, um weitere Partner ins Boot zu holen. Doch bisher, so informierte die Projektleiterin, scheiterte dies an zu hohen finanziellen Forderungen der Bahn. Das Verkehrsministerium des Landes habe Unterstützung signalisiert. Auf den Strecken der Selketal-, Brocken- und Harzquerbahn gilt der Touristen-Freifahrtschein ebenfalls noch nicht.
Mit dem Hatix wurde eine erfolgreiche Variante gefunden, neue Gästegruppen für Fahrten in Bussen und Straßenbahnen besser auszulasten, bestätigte Heide Baumgärtner, Sprecherin der Harzer Schmalspurbahnen GmbH. Die beteiligten Verkehrsunternehmen erhalten eine Ausgleichszahlung für die entgangenen Fahrgeldeinnahmen der Hatix-Kunden. Die HSB führt auf den sachsen-anhaltinischen Streckenabschnitten ausschließlich touristischen Verkehr durch, der überwiegend von Tages- und Übernachtungsgästen genutzt wird. Darauf sind alle betrieblichen Abläufe, der Fahrplan etc., ausgerichtet. Ausschließlich im Bereich des Freistaates Thüringen - auf dem Streckenabschnitt Nordhausen-Ilfeld - finanziert der Freistaat den klassischen ÖPNV. Hier gibt es beispielsweise für Berufspendler die ersten Fahrten um 4.46 Uhr und um 5.46 Uhr ab Nordhausen.
"Durch eine Beteiligung am Hatix werden somit für die HSB keine neuen Gästegruppen generiert", betonte die Sprecherin. Auch eine Ausgleichszahlung für mögliche Hatix-Kunden auf dem Streckennetz der HSB würde zurzeit eine extreme Erhöhung der Kurtaxe für die beteiligten Orte - auch für Nichtnutzer der HSB bedeuten, begründete sie die Nichtteilnahme.