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Quedlinburg Quedlinburg: Frau Holle liebt ihre DDR-Kleidung

Von MAIKE KÖNIG 14.02.2011, 16:20

QUEDLINBURG/MZ. - Wenn Lieselotte Holle das Haus verlässt, sitzt ihre Kleidung perfekt. Schon immer hat sie sehr auf ihr Äußeres geachtet, ließ sich gern für den neuesten Schick begeistern. Nichts Besonderes mag man meinen, modebewusste Frauen gibt es heutzutage schließlich überall. Und trotzdem ist die Kleidung der Quedlinburgerin außergewöhnlich. Der Grund: bei ihren modischen Outfits handelt es sich um Unikate, die in keinem Laden erhältlich sind. Die meisten ihrer extravaganten Kleidungsstücke hat die inzwischen 90-jährige Quedlinburgerin nämlich noch zu DDR-Zeiten selbst gefertigt und findet sie heute immer noch "todschick".

Schon früh entdeckte Lieselotte Holle ihr Interesse für Kunst und Gestalten, vertrieb sich bereits als Kind die Zeit mit Malen und Zeichnen. "Mein Wunsch war es Kunstgewerblerin zu werden", beschreibt sie ihren Jugendtraum. Da sie aber kein Mitglied des BDM war und auch ihr Vater nicht in der Partei, wurde ihre Bewerbung abgelehnt. Stattdessen begann sie Mitte der 1930er Jahre ihre Ausbildung zur Buchhalterin in der Samenzüchterei Pape und Bergmann. Die Kunst blieb aber auch weiterhin ihr Hobby, sie besuchte Malkurse und begann schon damals sich einzelne Kleidungsstücke selbst zu nähen. Besonders an einen Mantel, den sie sich aus einer alten, am Wegesrand gefundenen, Pferdedecke fertigte, kann sie sich noch gut erinnern. Mit einem roten Gürtel sei der ein richtiger Hingucker gewesen. Diese Meinung schienen auch ihre damaligen Arbeitskollegen zu teilen. Erst vor einigen Jahren sei ihr ein ehemaliger Lehrling des Betriebes begegnet, der ihr erzählte, sie hätten sie früher immer als "Modepüppchen" bezeichnet. Darüber kann Lieselotte Holle heute nur lachen. "Ich habe sie damals alle an der Nase herumgeführt", meint sie schmunzelnd.

Auch in der schweren Nachkriegszeit, machte sich Lieselotte Holle ihren Einfallsreichtum und ihre Fantasie zu nutzen. Aus jedem Material, das sich für die Verarbeitung eignete, fertigte sie Kleidungsstücke an. Später, in der DDR, waren Wolle und Stoffe zwar einfacher zu bekommen, die größte Auswahl an Kleidungsstücken gab es jedoch nicht, erinnert sich die begeisterte Hobbyschneiderin. "Eine Zeit lang habe ich von Schuhen über Hüte bis zu Handschuhen alles selbst gemacht", erzählt die zierliche Rentnerin heute. Auch die abgetragenen Oberhemden ihres Mannes fanden bei Lieselotte Holle noch Verwendung, indem sie daraus hübsche Kleidchen und Mäntel für ihre Tochter entwarf.

Neue Impulse für ihre kreative Arbeit erhielt sie, als sie Anfang der 80er an einem, von der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft angebotenen, Kurs für textiles Gestalten teilnahm. "Wir waren dort eine tolle Truppe", meint Lieselotte Holle heute. Die einzelnen Gruppenmitglieder hätten sich mit ihren Ideen ergänzt und es wären sehr ansprechende Entwürfe entstanden. Meist gab es Vorgaben zu einem bestimmten Thema und der gewünschten Handwerksart. Nicht selten setzte Lieselotte Holle aber ihre eigenen Entwürfe in die Tat um. Die Schönsten ihrer so entstandenen Kleidungsstücke besitzt sie auch heute noch. Da finden sich kompliziert gestrickte Pullover, mit Nadelmalerei filigran verzierte Blusen und feine Hemden, die mit Klöppelapplikationen verschönert wurden. "Damit lag ich damals voll im Trend", meint die 90-Jährige und zeigt auf einen weißen Strickpulli, für den ihr ein Foto in der 1985er Ausgabe der "Modischen Maschen" als Vorlage diente.

Auch heute, mehr als 20 Jahre später, mag sie sich nicht von ihren selbst entworfenen Kleidern trennen. "Ich fühle mich in den Sachen einfach wohl", erklärt sie und meint, die Kleidungsstücke seien eben etwas Besonderes. Seit dem Ende ihres Textilkurses Anfang der 90er hat sie kein neues Stück mehr gefertigt. "Zwar ist mein Kopf voller Ideen und es kribbelt mir regelrecht in den Fingern, für neue Entwürfe bleibt momentan aber keine Zeit", erklärt die vielbeschäftigte Rentnerin. Die halbe Welt hat sie mittlerweile gesehen und jede ihrer Reisen in zahlreichen Fotoalben ausführlich dokumentiert. Außerdem besitzt sie eine Mineraliensammlung, malt weiterhin Bilder und sammelt Zeitungsartikel über die alten Straßen Quedlinburgs. Bei so vielen Hobbys wurde das textile Gestalten erstmal hinten an gestellt. "Meine liebste Beschäftigung ist jetzt Wohnen", meint die lebensfrohe Seniorin lachend, während sie die Pullover mit den aufwendigen Strickmustern wieder fein säuberlich zusammenlegt und im Schrank verstaut.