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Quedlinburg Quedlinburg: Ein Zeichen für die Öffentlichkeit

Von HOLGER HADINGA 04.10.2010, 15:18

QUEDLINBURG/MZ. - Eine krosse Pizza beim Italiener oder ein saftiges Stück Fleisch im Steakhaus - das ist mittlerweile für einen Teil der Bevölkerung zum Luxus geworden. Der Grund ist die wachsende Armut. Anlaufstelle für betroffene Männer Frauen und Kinder in der Region ist die Harzer Tafel in der Quedlinburger Weberstraße. Die Trägerschaft hat der Awo-Kreisverband Harz e.V. Am Sonnabend lud die Harzer Tafel traditionell zur "Langen Tafel" mit anschließendem Kaffeetrinken sowie einem kleinen Kulturprogramm ein. Dachorganisation ist der Bundesverband deutsche Tafel mit Sitz in Berlin.

Essen und Gespräche

Die Begrüßungsrede an der "Langen Tafel" vor dem Gebäude hielt Kai-Gerrit Bädje, Geschäftsführer des Awo-Kreisverbandes Harz: "Ich freue mich, dass wir uns heute hier zusammengefunden haben. Hier ist deutschlandweit die einzige Tafel, die über den gesamten Landkreis arbeitet." Weiter würdigte der Redner unter anderem die aufopferungsvolle Tätigkeit der vielen Helfer. Die Awo sowie etliche Einzelpersonen würden sich speziell dafür einsetzen, dass die Menschen etwas zum Essen bekommen. Außerdem würden hier die Betroffenen Gelegenheit für Gespräche erhalten. Bädje erwähnte aber: "Es ist traurig, dass nur Sachsen-Anhalts Justizministerin Prof. Dr. Angela Kolb als Botschafterin der Tafel ihr Kommen zugesagt hat." Die anderen Botschafter hätten die Termine zum Tag der Deutschen Einheit wahrgenommen. Im Landkreis Harz würden mittlerweile rund 2 500 Personen die Angebote der Tafel annehmen. "Unser Bestreben ist es, dass eines Tages keine Tafel mehr nötig ist", so der Geschäftsführer.

Auf die Hartz-IV-Sätze bezogen äußerte Bädje: "Es ist von der Bundesregierung falsch und feige, sich bei den Berechnungen auf das Bundesamt für Statistik zu berufen." Menschen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet hätten, würde man jetzt nicht einmal mehr ein Glas Bier oder eine Zigarette gönnen. Als Gegenbeispiel für Geldverschwendung mannte er teure Dienstwagen. "Die Arbeit der Bundesregierung ist nicht akzeptabel. Das funktioniert so nicht." Als Mittagessen gab es anschließend Erbsensuppe mit Bockwurst. Außerdem standen Körbe mit Brot auf den Tischen.

Aus Sicht eines Betroffenen

"Hier ist alles sehr gut. Es ist aber traurig, dass man darauf angewiesen ist. Ich muss hierher kommen, obwohl ich mein ganzes Leben lang gearbeitet habe", sagte ein 73-jähriger Rentner aus Quedlinburg der Mitteldeutschen Zeitung. Marlies Röbbeling, Leiterin der Harzer Tafel, und die langjährige ehrenamtliche Mitarbeiterin Ina-Maria Fromme bemerkten, dass es immer schwieriger sei, Sponsoren für die Lebensmittel zu finden. "Man kommt an seine Grenzen", betonte Marlies Röbbeling.

Ina-Maria Fromme fügte an: "Zu uns kommen nicht nur Alg-II-Empfänger, sonder auch Geringverdienen oder Alleinerziehende." Viele würden sich aus Scham auch nicht trauen zur Harzer Tafel zu kommen. Manche hätten sogar Tränen in den Augen gehabt, wichtig seien persönliche Gespräche. Mit der Aktion der "Langen Tafel" mache man auf das Problem der steigenden Armut in der Öffentlichkeit aufmerksam.