Prozess gegen Tierquäler Prozess gegen Tierquäler: "Die sahen aus wie Skelette mit Fell drüber"

wernigerode/MZ - „So was Schlimmes habe ich noch nicht gesehen“, sagt der Zeuge am Mittwoch im Amtsgericht Wernigerode. „Die Pferde sahen aus wie Skelette mit Fell drüber.“ Und der Mann weiß, wovon er redet: Er ist Hufschmied. Eine andere Zeugin kennt sich mit Pferden nicht so gut aus, sie ist Polizistin. Aber ihr Eindruck war derselbe: „Als wir in den Stall kamen, waren wir sprachlos. Man konnte die Rippen der Tiere sehen. Ein Hengst sah aus wie ein Heizkörper mit Decke drauf.“
Am Mittwoch hat der Prozess gegen einen 59-jährigen Polizisten begonnen, der 24 Araber-Pferde auf einem alten LPG-Gelände in Danstedt gehalten hat. Das Verfahren gegen eine mitangeklagte Frau, die auf dem Hof mitgeholfen haben soll, wurde gegen eine Geldauflage von 300 Euro eingestellt.
Wie viel kostet ein Pferd pro Monat? Diese Frage stellte die Richterin Heike Hennig einer Zeugin aus Bayern, die zwei der Pferde aus Danstedt aufgenommen und mittlerweile wieder aufgepäppelt hat. Rechne man alles zusammen - Futter, Impfungen, Versicherungen - so lande man etwa bei 200 Euro pro Pferd und Monat, sagte die Frau. Für das Futter allein müsse man 110 Euro berechnen. Bei 24 Pferden käme man nach dieser Rechnung auf monatliche Kosten zwischen 2 600 und 4 800 Euro. Hatte der Polizist, der sein Netto-Monatsgehalt mit 2 200 Euro angab, möglicherweise nicht genügend Geld, um die Tiere vernünftig zu versorgen? Eine Polizistin sagte als Zeugin, dass der Mann aus ihrer Sicht „nicht wahrgenommen hat, dass der Zustand der Pferde sehr schlecht ist“. (iku)
16 Punkte umfasst die Anklageschrift gegen den Mann. Sie liest sich wie ein Dokument des Pferde-Horrors. Die Rede ist von „eingefallenen Hungergruben“, nicht behandelter Bronchitis und Herzproblemen der Tiere, „totaler Verwurmung“, eingewachsenen Hufeisen, die zu „erheblichem Leiden“ geführt hätten, und immer wieder von Unterernährung und unbeschnittenen, viel zu langen Hufen. Ein Pferd soll einen etwa fünf Zentimeter großen Fremdkörper im Maul gehabt haben, es habe deshalb kaum noch fressen können, so der Staatsanwalt. Und weiter: „Die Tiere quälten sich. Die unbehandelten Hufe führten zu irreparablen Schäden an Gelenken, Sehnen und Knochen.“
Ein Hilferuf per Mail wegen eines toten Pferdes auf dem Gelände an das Veterinäramt der Kreisverwaltung und die Polizei in Wernigerode war Auslöser der Rettungsaktion für die Tiere. „Wir sind mit dem nächsten freien Dienstfahrzeug nach Danstedt gefahren“, sagt die Polizistin, die mit einem Kollegen und einer Praktikantin als erste den Hof in Augenschein nahm. Sie sah dort das tote und etliche abgemagerte Pferde. Das Gelände habe den Eindruck einer „Halde“ gemacht.
Und sie erhebt schwere Vorwürfe gegen das Kreis-Veterinäramt. Dort habe man die Anschuldigungen gegen den Pferdehalter gekannt, aber nichts unternommen. Nach einer Untersuchung, die zu keinerlei Konsequenzen geführt habe, habe sich das Amt sogar geweigert, die Ergebnisse herauszugeben, behauptet die Polizistin. Sie habe sich diese dann jedoch über die Staatsanwaltschaft beschafft und einen Durchsuchungsbeschluss erwirkt. Am 29. November kamen Polizei und Staatsanwaltschaft mit einem Großaufgebot nach Danstedt, beschlagnahmten die Pferde und verteilten sie auf Halter in ganz Deutschland. „Um 21.58 Uhr war das letzte Tier verladen“, sagt die Polizistin.
Die Kreisverwaltung war am Mittwoch auf MZ-Anfrage zu keiner Stellungnahme bereit. Damals hieß es aus der Behörde, bei der Untersuchung hätten sich „keine Zustände ergeben, die eine akute Gefährdung der Tiergesundheit“ darstellten. Die Versorgung und Betreuung der Tiere seien gewährleistet.
Ein Tierarzt, der im Auftrag des Veterinäramts vier der Pferde einen Tag vor dem Polizeieinsatz in Augenschein nahm, stellt das am Mittwoch jedoch anders dar. Nach seinen Worten war die untersuchte Stute in einem „schlechten Gesundheitszustand“. Sie habe an Dekubitus, Ekzemen, einer schmerzhaften Erkrankung der Hufe sowie schlechten Zähnen gelitten und sei unterernährt gewesen - genauso wie ihr Fohlen. „Mehr als 50 Prozent der Herde waren dünn bis mäßig ernährt“, sagt der Veterinär. „In Anbetracht des Zustands des Außengeländes haben wir gesagt: So geht das nicht.“
Warum die Tiere in solch erbarmungswürdigem Zustand waren? Der Pferdehalter verweigert jede Aussage. Gegenüber einem Polizisten soll er gesagt haben, dass er seine Tiere so gehalten habe, „damit sie nicht so viel Power kriegen. Die haben so viel Temperament, die bringen einen sonst um“.

