Wie werden Senioren betreut? Pflegezentrum Arbeiterwohlfahrt Quedlinburg öffnet Türen für Schüler: Einblick in Arbeit der Altenpfleger

Quedlinburg - Im Rollstuhl umherfahren, die Erfahrungswelt des Alters ausprobieren oder einen Rollatorparcours durchqueren: All dies hat das Pflegezentrum „Am Kleers“ am Awo-Aktionstag Besuchern ermöglicht, die sich für Altenpflege interessieren. Das Pflegezentrum hat besonders Schüler aus Quedlinburg eingeladen, den Pflegeberuf aus nächster Nähe kennenzulernen.
Am Dienstag haben Mitarbeiter und Auszubildende in einem Rundgang mit elf Stationen ihren Arbeitsalltag vorgestellt. „Wir wollen vor allem jungen Menschen den Beruf des Altenpflegers zeigen, aber auch auf das Krankheitsbild der Demenz aufmerksam machen“, beschreibt Awo-Sprecherin Sabine Herforth die Aktion.
Dabei arbeitet die Arbeiterwohlfahrt mit dem Institut für Berufliche Bildung A. Gesche (IBB) zusammen. Der Aktionstag sollte zugleich auf den bundesweiten Tag der Demenz am 21. September hinweisen.
Mit Demenz umzugehen, sei für Angehörige von Senioren besonders schwer
An einem Schaubild erklären Mitarbeiter des Pflegezentrums, dass den demenzkranken Bewohnern häufig ihre früheren Lebensumstände noch präsent seien, während sie kaum Bezug zur heutigen Zeit hätten.
„Gerade diese noch bewussten Erfahrungen sind dagegen jungen Menschen heute sehr fremd“, sagt Altenpflegerin Claudia Beneke. Mit Demenz umzugehen, sei besonders schwer für die Angehörigen.
Über die Ausbildung zum Altenpfleger und den Umgang mit demenzkranken Angehörigen informiert das IBB, und Auszubildende erzählen von ihren Erfahrungen. Vanessa Leucke ist in ihrem dritten Ausbildungsjahr auf dem Weg zur Altenpflegerin.
„Im ersten Jahr wird einem alles erklärt: Wie setze ich zum Beispiel Insulinspritzen, wie gebe ich Medikamente, wie wasche ich einen Bewohner? Von Jahr zu Jahr arbeitet man dann selbstständiger“, beschreibt die 22-Jährige ihre Ausbildung.
„Von Kindheit an wollte ich mit Menschen arbeiten“, berichtet Vanessa Leucke vom dritten Ausbildungsjahr
Die Arbeit sei so, wie sie es sich vorgestellt habe. „Von Kindheit an wollte ich mit Menschen arbeiten. Wenn es mit der Altenpflege nicht geklappt hätte, wäre ich jetzt wohl bei den kleinen Kindern.“
Paul Bertram ist ebenfalls 22 Jahre alt und im dritten Jahr seiner Ausbildung. „Man weiß, es ist schwierig, es ist anstrengend, aber es lohnt sich für das Lächeln eines Bewohners. Der Beruf hat immer Zukunft, man wird nie arbeitslos sein“, sagt er.
Eine der größten Hürden sei das Thema Tod, meint er; darauf würde man zwar in der Berufsschule vorbereitet, aber es sei in der Praxis doch etwas sehr Persönliches. „Keiner kann einem sagen, wie man reagiert, wenn der Bewohner stirbt, mit dem man sich besonders verstanden hat“, ergänzt Vanessa Leucke.
Der Umgang mit dem Tod von Bewohnern ist für die meisten Berufsanfänger schwer
Bei einer Hausführung zeigen Auszubildende das Lebensumfeld der Bewohner. Auf fünf Etagen gibt es 39 Zimmer. Jede Etage hat einen Namen mit Bezug zu Quedlinburg: Die erste heißt „Zur Bode“, die fünfte „Zum Brockenblick“. Abgesehen von Pflegebett und Nachtschrank, die Standard sind, können die Bewohner ihr Zimmer komplett selbst einrichten – von den Tapeten über die eigenen Möbel von Zuhause bis zu persönlichen Gegenständen.
Und ein Rollstuhl sei nicht nur für Menschen da, die nicht mehr laufen können, sondern auch unterstützend für die, die nur noch kurze Strecken schaffen und sich dann ausruhen müssen, erklärt Kimberley Speicher, Auszubildende zur Altenpflegerin.
Die Erfahrungswelt alter Menschen wird beim Aktionstag mit einem speziellen, 30 Kilogramm schweren Anzug, einer Skibrille und Ohrenschützern simuliert: Das zusätzliche Gewicht macht deutlich, wie anstrengend einfachste Bewegungen im Alter werden, und die Sinne werden durch Brille und Ohrenschützer verschlechtert. In einem Kräutergarten auf dem Gelände wachsen Minze, Tomaten, Paprika und Gewürze wie Thymian oder Salbei: „Viele ältere Menschen, die selbst einen Garten hatten, erkennen die Pflanzen sofort und erzählen dann, was sie damit gekocht haben oder woran es sie erinnert“, sagt Chantal Braier, eine der Auszubildenden. Auch hier sei Biografiearbeit wichtig, sagt sie: Ein Maler oder eine Näherin wisse mit den Pflanzen weniger anzufangen als ein Bauer oder eine Köchin.
Farben, Gerüche oder Gegenstände werden auch genutzt, um Erinnerungen wachzurufen, die zu Gesprächen führen, erklärt Jennifer Bilke, Auszubildende zur Altenpflegerin. Küchengeräte beispielsweise können Geschichten übers Kochen und Backen anregen, ein ehemaliger Bauarbeiter erkennt möglicherweise altes Werkzeug wieder. Bei der Reaktion auf die Erzählungen der Bewohner sei Einfühlungsvermögen gefragt: „Manche werden währenddessen wütend, andere werden traurig und fangen an zu weinen; darauf zu reagieren, ist nicht ganz einfach“.
Jährliche Aktion
Die Aktion zum Tag der Demenz führt das Pflegezentrum jährlich durch. „Bisher hatten wir immer eine Art Tag der offenen Tür; dieses Jahr liegt unser Fokus darauf, Schüler anzusprechen“, sagt Sabine Herforth. Obwohl das Pflegezentrum mehrere Schulen zum Aktionstag eingeladen und Plakate verteilt hat, hat keine Schulklasse das Angebot, den Beruf des Altenpflegers näher kennenzulernen, wahrgenommen.
„Wir versuchen, daraus zu lernen“, sagt Dagmar Richter vom Pflegezentrum. Im kommenden Jahr würden sie versuchen, die Schulen noch frühzeitiger auf die Aktion hinzuweisen und sie besser mit den Lehrplänen abzustimmen.
Dagmar Richter will trotz der fehlenden jungen Besucher nicht aufgeben: „Die Idee war nicht nur, jungen Menschen den Pflegeberuf nahezubringen, sondern auch, Barrieren zwischen den Generationen aufzubrechen. Das werden wir nächstes Jahr wieder versuchen.“
(mz)
