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Ungewöhnliches Hobby "Open Street Map" im Landkreis Harz: Warum ein Mann 1287 Bushaltestellen fotografiert

Von Fabian Wölfling 07.06.2017, 07:55
1.287 Bushaltestellen hat Ulrich Waltemath fotografiert. So auch die Station in Rieder, die ihm besonders gefallen hat.
1.287 Bushaltestellen hat Ulrich Waltemath fotografiert. So auch die Station in Rieder, die ihm besonders gefallen hat. Chris Wohlfeld

Quedlinburg - Es ist ein Mammutprojekt: 2.537 Kilometer zurückgelegte Fahrtstrecke, 1.287 Haltestellen und mehr als 4.000 Fotos. „Die investierte Arbeitszeit kann ich aber nicht genau benennen“, sagt Ulrich Waltemath. Wohl auch deshalb, weil das Mammutprojekt für den pensionierten Finanzbeamten nur wenig Arbeit und vor allem viel Vergnügen war.

„Es war wunderschön, dadurch den ganzen Landkreis kennenzulernen“, sagt Waltemath. Von Oktober 2016 bis März 2017 hat der 71-jährige Quedlinburger alle Bushaltestellen der Harzer Verkehrsbetriebe (HVB) fotografiert.

Verschrobene Idee hat aber trotzdem Hand und Fuß

Was nach einer verschrobenen Idee klingt, hat einen konkreten, praktischen Anlass und eine längere Vorgeschichte.

Als passionierter Wanderführer hatte sich Waltemath immer wieder über Ungenauigkeiten in Karten geärgert. Dadurch wurde er auf die „Open Street Map“ aufmerksam. Das ist eine im Internet frei verfügbare Karte, die von ehrenamtlichen Mitarbeitern mit Daten gefüttert wird.

Waltemath befüllte die „Open Street Map“ mit den exakten Koordinaten der Bushaltestellen im Landkreis Harz. Auf diese Fleißarbeit wurde die HVB aufmerksam und fragte Waltemath, ob er seine Daten für das firmeneigene Kartensystem zur Verfügung stellen würde. „So hatten wir aktuelle und genaue Werte“, sagt Norbert Claus, von der Verkehrsplanung der HVB.

Damit nicht genug. „Wir haben dann weitergesponnen und überlegt, ob man nicht auch eine Haltestellen-Datenbank anlegen könnte“, sagt Claus.

Schnell war das Haltestellen-Kataster bei Ulrich Waltemath geboren

Gesponnen, getan: Waltemath arbeitete die Haltestellen mit Koordinaten in eine Excel-Datenbank ein, fügte Informationen zur Beschaffenheit der Busstationen hinzu, die er während der Standortbestimmung nebenher gesammelt hatte. Und das „Haltestellen-Kataster“ war geboren.

„Soweit ich weiß, ist das eine einmalige Sache in Sachsen-Anhalt“, sagt Claus.

Eine einmalige Sache, die durch das Foto-Projekt eine neue Qualitätsstufe erreicht hat. Von jeder Haltestelle hat Waltemath drei Motive aufgenommen. „Das erste Foto zeigt den Fahrplan, das zweite den Haltestellen-Mast“, sagt Waltemath. Zudem fotografierte er die Haltestelle auch noch in der Totalen.

„Damit man sehen kann, ob es ein Wartehäuschen gibt oder die Haltestelle behindertengerecht ist.“ Manchmal kam auch noch ein viertes Foto hinzu, etwa wenn Waltemath ein fehlender Fahrplan auffiel.

Alle nützlichen Angaben zu Haltestellen sind vereint

Im Ergebnis steht eine detaillierte Datenbank mit allen Haltestellen. Sie enthält den jeweiligen Standort, weitere Angaben, etwa zur Barrierefreiheit und Ausstattung, sowie die aktuellen Fotos.

Die Mitarbeiter der HVB können so bei Bedarf auf Knopfdruck alles Wissenswerte über eine Haltestelle erfahren. „Das ist Gold wert für unsere Arbeit“, sagt Claus.

Im Gegensatz zu den genauen Standorten, die jeder in der „Open Street Map“ abrufen kann, ist das Haltestellen-Kataster mit Waltemaths Fotos allerdings nicht öffentlich verfügbar.

„Bis jetzt ist es eine Datenbank rein für die innerbetriebliche Nutzung“, sagt Claus. „Wir sind uns auch noch nicht im Klaren, ob und wenn ja, in welcher Form wir die Daten öffentlich zugänglich machen“. In naher Zukunft wird das aber definitiv nicht geschehen.

„Wir haben momentan nicht die Zeit dafür, weil im Dezember die Umstellung des Nahverkehrplans ansteht“, sagt Claus.

Neue Arbeit steht für Ulrich Waltemath schon bevor

Die wird auch Waltemath neue Arbeit bescheren. „In Aderstedt oder Drübeck sind dann neue Haltestellen geplant“, sagt er. Die will er auch kartieren, fotografieren und in das Kataster eintragen. Bescheren ist hier das richtige Wort: „Ich habe Spaß an dem Projekt und will es, solange es geht, weiter betreuen.“

Eine Nebenwirkung gibt es aber: „Egal, wo ich unterwegs bin, überall schaue ich nach Bushaltestellen“, sagt Waltemath. Zuletzt etwa bei einem Besuch in Dresden. „Und wenn ich eine sehe, ist der Drang groß, anzuhalten.“ (mz)