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Opa war bei Olympia  Opa war bei Olympia : Ehemaliger Spitzen-Athlet kam aus dem Harz

Von Ingo Kugenbuch 19.12.2019, 15:11
Mit 14,88 Metern wurde Erich Joch Siebter im Dreisprung bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin.
Mit 14,88 Metern wurde Erich Joch Siebter im Dreisprung bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Archiv Wiesner-Ebbing

Quedlinburg - Entspannt plaudern neun Männer vor einem Bungalow im brandenburgischen Elstal. Drei von ihnen lümmeln sich in Liegestühle. Von Aufregung keine Spur - obwohl sie alle bald beim Wettkampf ihres Lebens starten werden: bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin.

Olympia-Finale nur knapp verpasst

Einer von ihnen ist Erich Joch, der Großvater von Corinna Wiesner-Ebbing aus Quedlinburg. Joch ist damals im Dreisprung angetreten. 14,88 Meter ist er am 6. August 1936 gesprungen. Um zwei Zentimeter hat er damit das Finale bei Olympia 1936 verpasst.

„So wurde er leider nur Siebter“, sagt Corinna Wiesner-Ebbing. „Er hat sich bis zu seinem Lebensende darüber geärgert.“ Immerhin hat Joch im selben Jahr die Silbermedaille bei den Deutschen Meisterschaften errungen - und ist dort 12 Zentimeter weiter gesprungen.

Erich Joch wurde am 17. Februar 1913 in Eisleben geboren. Das Bild in seinem „Olympia Ausweis“ zeigt einen jungen Mann mit zurückgekämmten blonden Haaren, der offen und selbstbewusst in die Kamera schaut. Er hatte allen Grund dazu, war er doch ein erfolgreicher und beliebter Sportler.

In Eisleben machte er als Jugendlicher „als Mitglied des Männer-Turnvereins von sich reden - sowohl bei den Leichtathleten als auch den Handballern, wo man Jochs Torjägerqualitäten schätzte“, schrieb die MZ vor zehn Jahren. „Erich Joch tanzte erfolgreich auf zwei Hochzeiten, wurde 1931 und 1932 Eisleber Stadtmeister bei den Leichtathleten.“

Hitler die Hand geschüttelt

Die Olympischen Spiele waren der Höhepunkt von Jochs Karriere. Dort hatte er die zweifelhafte Ehre, dem faschistischen Diktator Adolf Hitler die Hand zu schütteln. Und er erlebte, wie die schwarze amerikanische Leichtathletik-Legende Jesse Owens vier Goldmedaillen gewann - und damit die Nazi-Theorie von der „Überlegenheit der weißen Rasse“ kaputtrannte.

Im Krieg, berichtet Enkelin Corinna Wiesner-Ebbing, habe ihr Großvater eine dramatische Situation überlebt: „Mein Opa stand sich mit einem Russen gegenüber - beiden zielten mit dem Gewehr aufeinander“, berichtet die 47-Jährige. „Dann nickten sie sich zu, drehten sich um - und gingen.“

Vom Athleten zum Sportlehrer

Auch nach 1945 blieb Erich Joch in Bewegung: Er hat als Sportlehrer an der Erweiterten Oberschule GutsMuths und der Gartenbaufachschule neben der Wipertikirche sowie als Trainer bei Traktor Quedlinburg gearbeitet. „Ich habe nur gute Erinnerungen an meinen Opa“, sagt Corinna Wiesner-Ebbing. „Er war ein ganz toller Mensch.“

Das dachten sich offensichtlich auch die Verantwortlichen der Quedlinburger TSG GutsMuths, die zum 250. Geburtstag des Pädagogen und Mitbegründers des Turnens eine Kurve im Stadion auf dem Moorberg nach Erich Joch benannten.

Sport als Familientradition

Damals, im Jahr 2009, war der Geehrte allerdings schon sechs Jahre tot. Seine Tochter Erika Wiesner, Corinna Wiesner-Ebbings Mutter, kam zur Enthüllung des Namensschilds „Erich-Joch-Bogen“. Fotos von diesem Tag zeigen, wie die Frau im taubenblauen Blazer an einem langen Seil ein Tuch von dem Schild zieht.

Erich Joch blieb bis ins hohe Alter ein Sportler. „Ich kann mich erinnern, wie sich mein Opa mit 80 Jahren mal im Flur auf den Boden geworfen und Liegestütze gemacht hat“, sagt Corinna Wiesner-Ebbing.

Nur seinen letzten Kampf gegen eine Lungenentzündung hat er 2003, drei Wochen nach seinem 90. Geburtstag, verloren. „Mir fehlt er immer noch - jeden Tag“, sagt Corinna Wiesner-Ebbing. Aber auch wenn er längst tot ist, seine sportliche Saat ist aufgegangen: Jochs Urenkel Sebastian arbeitet als Sportlehrer in Potsdam. (mz)

Damals erhielt er einen „Olympia Ausweis“, der nachwies, dass er aktiv an den Spielen teilnahm.
Damals erhielt er einen „Olympia Ausweis“, der nachwies, dass er aktiv an den Spielen teilnahm.
Archiv Wiesner-Ebbing