Onkel Männes Dreizehn und die Balkanziege
GÜNTERSBERGE/MZ. - Selbst Horst Wicht, der aktuelle Chef, staunt: "Inzwischen gibt es uns schon 50 Jahre", und blickte zurück, wie alles anfing - in der Polytechnischen Oberschule der Stadt.
Start für Schülerorchester
"Der Russischlehrer Eberhard Stimming organisierte nach den Sommerferien 1960 eine neue Arbeitsgemeinschaft an der Schule und konnte dafür den ausgebildeten Musiker Hermann Riethbaum aus Bärenrode als musikalischen Leiter gewinnen", kennt Wicht den Start der Übungsstunden für ein Schülerorchester nur vom Hörensagen, denn er war damals dafür noch zu jung. "Erst Schüler ab der fünften Klasse durften mitmachen." Jeweils montags und freitags kam der als Traktorist in der LPG arbeitende Musiker in die Schule, um den Kindern das Spielen von Trompete, Posaune, Hörnern, Tuba, Pauke oder Klarinette beizubringen, während Stimming das Drumherum in der Schule organisierte und koordinierte. "Die ersten Auftritte waren eher kleine Ständchen", kennt Wicht aus eigenem Erleben die Dauer zwischen Beginn und öffentlichen Auftritten mit mehreren Instrumenten.
Noch länger brauchte es, bis daraus eine Marschformation entstanden sei, welche zu den üblichen Ehrenanlässen, wie 1. Mai, 8. Mai oder dem Tag der Republik am 7. Oktober, sowie zu den Heimatfesten den Zug durch die Stadt anführten. "Auch die Karnevalsprozessionen zu DDR-Zeiten begleiteten wir", erklärt Wicht, "ab 1981 traten wir zudem live im Programm auf." Zu dem oft als "Pionier-Blasorchester der Polytechnischen Oberschule" angekündigten Ensemble, in das Jahr für Jahr immer wieder Ältere raus- und Jüngere nachrückten, kam 1964 auch Horst Wicht. Er scheint es heute fast zu bedauern, dass er wegen seines jungen Alters noch nicht zu den "berühmten Dreizehn" gehören konnte, wie Hermann Riethbaum, den alle nur "Onkel Männe" nannten, seinen ersten Jahrgang immer stolz bezeichnete. In den 70ern bekamen die Güntersberger in der Ausbildung zusätzliche Unterstützung von der Musikschule Quedlinburg. "Zu dieser Zeit gehörten immerhin über 30 Kinder und Jugendliche zum Orchester", kann sich Wicht erinnern, ebenso an die vielen Auftritte in den FDGB-Heimen der umliegenden Orte. "Besonders in Neudorf sind wir oft gewesen", weiß er noch. Irgendwann in dieser Phase entschlossen sich auch die zwar gut ausgebildeten, inzwischen aber längst aus der Schule entlassenen Musikanten, ihr Können wieder gemeinsam anwenden zu wollen.
Parallel zur Schule schlug damit eine weitere Geburtsstunde der zwar erst später so bezeichneten, aber noch heute bestehenden "Güntersberger Blasmusik". In dieser hatte auch weiterhin "Onkel Männe" das Sagen, er zog sich aber 1983 aus Altersgründen zurück. Dass die Truppe bis heute trotzdem nur mit zwei musikalischen Leitern auskam, ist Horst Wicht zu verdanken, der in Riethbaums Fußtapfen trat, das Ganze von der Schule loslöste und zugleich frischen Wind hinein brachte. "Jetzt ging die Party richtig los."
Lob fürs Volkskunstkollektiv
Einige seiner Errungenschaften waren neue Uniformen - und ein eigener Kleinbus, Marke TV, der wegen seiner rumänischen Herkunft viel besser als "Balkanziege" bekannt ist. "Nur die Blasmusik durfte damit fahren", kennt er noch die Vorschriften der Nutzung. Auch dem sozialistischen Wettbewerb stellten sich die Güntersberger, mit Erfolg: "Wir wurden sogar als hervorragendes Volkskunstkollektiv der DDR ausgezeichnet und haben die Einstufung 'sehr gut' bei den Kulturoberen bekommen."
Die Wende blieb auch für die Blasmusikanten nicht ohne Folgen, die Zahl der Auftritte sowie der Mitglieder ging zurück. Heute sind es noch acht Musiker, die sich auf je zwei Tenorhörner und Klarinetten sowie Tuba, Trompete, Keyboard Schlagzeug verteilen.
Auch wenn die langjährigen Partner aus Seehausen bei Leipzig wegen anderer Verpflichtungen nicht beim Jubiläum dabei sein können, soll es trotzdem ein schönes Fest nicht nur für die befreundeten Akteure, sondern auch für das zahlreiche Publikum werden, sagt Horst Wicht und hofft, dass auch viele Ehemalige nach Güntersberge kommen. Für den Samstag hat er noch Überraschungen in petto, sagt er und fasst die 50 Jahre so zusammen: "Älter sind wir im Laufe der Zeit geworden und grauer - aber die Liebe zur Blasmusik ist uns nie abhanden gekommen."