OB Eberhard Brecht nimmt Abschied OB Eberhard Brecht nimmt Abschied: "Ich fahre keinen Mercedes"

Quedlinburg - Eberhard Brecht war auf seinen Erfolg schlecht vorbereitet: Als der SPD-Politiker 2001 mit grandiosen 56 Prozent die Wahl zum Oberbürgermeister von Quedlinburg gewann, wurden die Schnittchen bei der Wahlparty bei der Awo im Mummental knapp.
Eberhard Brecht wurde am 20. Februar 1950 in Quedlinburg geboren. Nach dem Abitur studierte er Physik, arbeitete dann als Biophysiker in Berlin. Später wechselte er ans Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben. Brecht war zur Wendezeit einer der Mitbegründer des Neuen Forums in Quedlinburg. Er verließ die Bürgerrechtsbewegung aber alsbald und wurde SPD-Mitglied. Für die SPD zog Brecht 1990 in die erste demokratisch gewählte Volkskammer ein. 1990 in den ersten gesamtdeutschen Bundestag, dem er bis zum 30. Juni 2001 angehörte. 2001 wurde Brecht zum Bürgermeister von Quedlinburg gewählt und 2008 im Amt bestätigt. Brecht ist verheiratet und hat drei Kinder.
Solch einen Sieg bei acht Kandidaten - das hatte niemand erwartet. „Dieser Rückhalt hat mir bei meiner Arbeit immer sehr geholfen“, sagt Brecht heute, nur ein paar Tage, bevor er am nächsten Mittwoch in der Stadtratssitzung in den Ruhestand verabschiedet wird.
Brecht saß damals für die SPD im Bundestag und wollte zurück ins Lokale, zurück in seine Heimatstadt, in der schon sein Urgroßvater Gustav in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Oberbürgermeister war. „Ich habe für Quedlinburg kandidiert, weil ich die Stadt fantastisch finde“, sagt Brecht. Er habe durchaus auch Angebote aus „wohlhabenden Städten“ gehabt, sagt er - und abgelehnt. Jetzt sitzt Brecht in seinem prächtigen holzgetäfelten Arbeitszimmer, das die Geschichte der Jahrhunderte atmet, und rührt in seinem Kaffee. Es sieht noch aus wie bei Urgroßvater Gustav. Nichts hat er hier in seiner Amtszeit geändert, nur am trutzigen Schreibtisch steht ein moderner Stuhl.
Mehr als nur einen Stuhl verrückt
In seiner Stadt wurde in den 14 Jahren seiner Amtszeit dafür mehr als nur ein Stuhl verrückt. Besonders stolz ist Brecht, dass er als Mitinitiator des „Investitionsprogramms Nationale Unesco-Welterbestätten“ 14 Millionen Euro Fördergeld nach Quedlinburg holen konnte - und aktuell noch einmal weitere zwei Millionen. Dass sich einige Geschäftsleute beschwerten, als der Marktplatz mit Millionenaufwand saniert wurde, findet Brecht kleinkariert. Quedlinburg - das ist für ihn eine „außergewöhnlich kostbare historische Bausubstanz, eine reiche, lebendige Kulturlandschaft und aktive Sportler“.
Nicht vorhandenes Geld war immer Thema
Ein volles Stadtsäckel gehörte dagegen nie zu den hervorstechenden Eigenschaften der Stadt mit dem Welterbe-Titel. Geld - besser: nicht vorhandenes Geld - das war immer auch ein Thema für Brecht. Zwar haben sich die Einnahmen aus der Gewerbesteuer während seiner Amtszeit von 2,86 auf 6,5 Millionen Euro erhöht - reichen tut das dennoch vorne und hinten nicht. „Wir bräuchten mehr als zehn Millionen“, sagt Brecht. Ihm war immer klar, dass er sich nicht mit seinem Urgroßvater messen können würde. Gustav Brecht war ein Macher, der eine Gasanstalt in Quedlinburg bauen und die Süderstadt erschließen ließ. Aber er hatte eben auch genug Geld dafür. „Bei mir war der Geldsack dagegen immer leer“, sagt Eberhard Brecht. Wo es besonders fehlt, da machen Brecht und seine Frau Renate schon mal selbst das Portemonnaie auf. Jüngst spendete das Ehepaar 8.000 Euro für die Sanierung der Nikolaikirche.
Spenden zwischen 5.000 bis 20.000 Euro
„Im Jahr spenden wir zwischen 5.000 und 20.000 Euro“, sagt Brecht. Wie das möglich ist? „Ich bin, was das Private angeht, eher bedürfnislos“, sagt er. „Ich fahre keinen Mercedes, ich brauche das alles nicht.“
Gibt es denn keinen Luxus, den er sich gönnt, keine geheime Leidenschaft? „Doch“, sagt Brecht und schiebt seinen linken Hemdsärmel hoch, „ich habe eine Schwäche für schöne Uhren.“ Doch auch diese flache, schwarze Uhr der dänischen Firma Skagen unterstreicht nur die Bescheidenheit des Oberbürgermeisters: Während für eine Rolex, Patek Philippe oder Lange schon mal sechsstellige Beträge aufgerufen werden, ist die Skagen für 130 Euro zu haben. Und ansonsten? „Ich trinke auch gerne trockene Bordeaux-Weine“, sagt Brecht. „Oder einen Weißen vom Westerhäuser Weingut Kirmann.“ Na gut. In der letzten Zeit wirkt Brecht gelöster als sonst. „Je näher ich dem Ende meiner Amtszeit komme, desto häufiger sind die Sympathiebekundungen“, sagt er. Das tut ihm gut. Es gab - gerade in der letzten Zeit - Themen, die ihm den Schlaf geraubt haben, räumt Brecht ein. Der Verkauf des Kurzentrums in Bad Suderode zum Beispiel. Oder der Streit um die Eingemeindung von Bad Suderode, Rieder und Gernrode. Da wurde der 65-Jährige - angesichts auch persönlicher Angriffe - dünnhäutig. Oft saß er in den Stadtratssitzungen mit in den Händen vergrabenem Gesicht da.
Glück für den Nachfolger gewünscht
Der Eingemeindungsstreit ist ausgestanden, der Verkauf des Kurzentrums soll im Juli vom Rat beschlossen werden. Jetzt kann sich Brecht seinen Hobbys widmen: der Geschichte der Quedlinburger Juden, und auch ein Heft mit Quedlinburger Anekdoten will er herausgeben.
Nach 14 Jahren als Oberbürgermeister - welche Tipps gibt Brecht seinem Nachfolger Frank Ruch (CDU) mit auf den Weg? Keine. „Ich wünsche ihm eine glückliche Hand und werde mich nicht an seinen Misserfolgen weiden“, sagt er.
Am Mittwoch wird Brecht im Stadtrat verabschiedet, am Freitag noch einmal festlich mit einer Veranstaltung im Festsaal des Rathauses. Es wird Musik geben und eine Rede des Kultusministers Stephan Dorgerloh. Und diesmal sicher auch genug zu essen. (mz)