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Wem passt der Schuh? Mit „Cinderella“ erlebt das Harzer Publikum ein sauber getanztes Märchen

Es ist sowohl für Kinder als auch für Erwachsene.

Von Uwe Kraus 24.09.2021, 16:00
Das Nordharzer Städtebundtheater fügt den Märchenvarianten mit seinem Ballett ?Cinderella?  eine ganz eigene Sichtweise hinzu.
Das Nordharzer Städtebundtheater fügt den Märchenvarianten mit seinem Ballett ?Cinderella? eine ganz eigene Sichtweise hinzu. Foto: Städtebundtheater/Behringer

Quedlinburg/MZ - „3 HfA (Haselnüsse für Aschenbrödel)“ im Weihnachts-TV-Programm, „Cinderella“, „Aschenputtel“ oder „Soluschka“, wie Sergej Prokofjews nach „Romeo und Julia“ zweites Meister- und großes Spätwerk aus dem Jahr 1945 im Original heißt, rund 2.000 bisherige Varianten des Märchens zählen die Theaterstatistiker.

Am Nordharzer Städtebundtheater fügen Ballettmeister Can Arslan und - in ihrer letzten Halberstadt-Arbeit - die Dramaturgin Susanne Germer, die seit März 2021 am Theater Plauen-Zwickau als Chefdisponentin arbeitet, eine ganz eigene Sichtweise hinzu.

Durchaus sehenswert, was da trotz Corona, kleinem Ballett-Ensemble und Musik aus der Konserve auf die Bühne gebracht wird. Mutig, auf den Kern oder noch tiefer hinein reduziert und quasi ohne Corps de ballet die wohl beliebteste Ballettkomposition des Russen zu produzieren. Jeder der acht Akteure hat dabei mehr oder weniger Solisten-Aufgaben.

Uraufführung 1945 im Moskauer Bolschoi-Theater Uraufführung

Die Story geht zu Herzen, das Publikum erlebt die Verwandlung eines armen Mädchens in eine Märchenprinzessin - wieder ein Sieg durch die Kraft der Liebe. Das Personen-Tableau am Nordharzer Städtebundtheater wirkt übersichtlich: ein lieb-verträumtes Aschenputtel, ihre Stiefmutter, zwei hochmütige Schwestern, ein junger Prinz, Schuster, Fee, Täubchen und eine Eieruhr. Das Programmblatt lässt sich ausmalen und füllt wie der Choreograf mit seiner Arbeit die Konturen mit künstlerischer Farbe und dient mit seiner Schuhabbildung als „Fahndungsplakat“ für den Prinzen. Nur erfährt man dort nicht, ob es die Harzer Sinfoniker sind, die musikalisch klangintensiv in Prokofjews Musiksprache den Tanzteppich ausbreiten.

Seit das Ballett „Cinderella“ 1945 im Moskauer Bolschoi-Theater seine Uraufführung erlebte, fasziniert der Märchenton, den die humorvoll-pointierten Noten aufnehmen, ohne die Choreografen und Tänzerinnen in ihrer Darstellung zu reglementieren. Die „Aschenputtel“-Adaption gilt zu Recht als schwungvollstes und tänzerischstes Ballett des Meisters, auch wenn es fast vor Romantik überläuft.

Viel Farbe und opulente Ausstattung

Das Handlungsballett „Cinderella“ schwelgt im Harz in Farben und recht opulenter Ausstattung. Ex-Ausstattungsleiterin Andrea Kaempf, die leider ebenfalls das Haus verlassen hat, findet für alle Akte eine ansprechende Optik, ob nun für die Küche mit Herd oder die angedeutete Showtreppe im Schloss. Angelo Alberto schafft dazu ansprechende Kostüme mit Charakter, für eine glitzernde Fee, die schwarzgewandete Stiefmutter, Masami Fukushima tanzt sie souverän, oder eben für das Mädel, das von der schlicht gewandeten Dienstmagd zur strahlenden Prinzessin avanciert.

Was auf den ersten Blick überrascht, die gefeierte Salzburger Inszenierung lässt grüßen: Die beiden Stiefschwestern besetzt Can Arslan mit männlichen Solisten. Lukas Ziegele und Michele Carnimeo in Frauenkleidern überzeugen, liefern Stolperer und wirken mal tölpelig, mal komisch, als Ballgäste trotz Tanzlehrer (Cristian Colatriano) überfordert. Catarina Cerolini vermittelt in der Titelrolle bestens den Wandel der Figur vom Kehrbesen schwingenden Hausmuttchen, das sich mit gewisser Schüchternheit in die Glitzerwelt träumt und schließlich in den Armen des Prinzen landet.

Tänzerisch gelungene Ensembleleistung

Der hat bei Cristian Colatriano durchaus die Anmutung des charmanten Traumprinzen. Das Paar harmoniert technisch versiert in der Inszenierung bestens. Dazu trägt ein dankbares Schrittmaterial bei, hervorzuheben dabei der „Liebes-pas-de-deux“. Zu erleben außerdem: Klassiker wie die wunderschönen Walzer, das Adagio und eine Gavotte. Rhythmen und Tempi stimmen dabei.

Der Besucher sieht eine tänzerisch gelungene Ensembleleistung, die von interessanten Inszenierungsideen und guter Lichtregie lebt. Dazu zählt der Einsatz des Stundenglases (als Chronos Salvatore Piramide, der auch den Ballschuhmacher gibt) und die Suche des Prinzen nach dem passenden Fuß quer durch die Welt vor dem Umbau-Vorhang.

Zuweilen wirft die Inszenierung aber Corona-Fragen auf. So tanzen gut präpariert Rebekka Gollwitzer und Alessia Zaccaria auf dem Ball mit Spuckschutz, während das Traumpaar völlig frei dahinschwebt. Beide gefallen zudem als weiße Fee (Gollwitzer) und Taube (Zaccaria). Schade, dass deren Tanzkunst bisher noch nicht in jeder Vorstellung einen adäquaten Besuch zeitigt.

Die Vorstellung am 27. September entfällt, weitere Termine am 6. Oktober um 10 Uhr in Quedlinburg, am 10. Oktober um 15 Uhr in Halberstadt.