Landkreis Harz Landkreis Harz: Sanierung aus purer Lust und Freude
QUEDLINBURG/MZ. - Auch wenn für Quedlinburg derzeit keine akute Gefahr besteht, so konnten und wollten die Verantwortlichen schon jetzt vorsorgen und haben dafür als eine von 19 ausgewählten Städten die Internationale Bauausstellung (IBA) Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010 genutzt, um im Rahmen ihres Themas "Perspektive Weltkulturerbe" langfristige Maßnahmen einzuleiten. Eine ist das jährliche "Denkmalfrühstück", bei dem sich Bauherren, Bürger, Verwaltung, Kommunalpolitiker oder Denkmalschützer zum Thema austauschen.
Probleme als Chancen sehen
"Probleme, wie die von einst 28 700 auf 21 000 gesunkene Einwohnerzahl oder etwa 250 leer stehende und zu verfallen drohende Häuser wollen wir als Chance sehen", erklärte Bürgermeister Eberhard Brecht zur offiziellen Eröffnungsveranstaltung am Standort Quedlinburg, die leider parallel zum Auftakt der Landesgartenschau in Aschersleben erfolgte. "Das Zentrum als Herz der Stadt muss nicht nur erhalten, sondern denkmalgerecht an moderne Erfordernisse angepasst und als Lebensraum aktiviert werden." Er erinnerte an die Aufbruchstimmung vor 20 Jahren, die zugleich das Ende des Flächenabbruchs der historischen Bausubstanz bedeutete. Seitdem wurden dank vieler privater Bauherren vor allem kleinere Fachwerkhäuser saniert, was dazu beiträgt, die historische Kernstadt zu erhalten und zu beleben.
Auf einem individuellen Spaziergang durch die Stadt zu ausgewählten Praxisbeispielen aus dieser Zeit, unterstützt vom "Audio-Guide - Leben im Welterbe", werden die Geschichten von Menschen und Häusern nachvollziehbar. Per ausleihbarer MP3-Spieler können die Besucher beim einzigen konkreten Ergebnis der Quedlinburger IBA-Projekte neben Besonderheiten zu Haus und Sanierung teilweise auch die Motive der Bauherren hören. "Hier ist wieder Leben eingekehrt", freut sich beispielsweise Lehmbau-Pionier Guido Röber im Neuendorf, "ich wohne gern hier." Inzwischen hilft er als Profi mit der traditionellen Technik sogar anderen, ihre Häuser mit dem ökologischen Baustoff zu sanieren, während er damals "drei Jahre brauchte, bis überhaupt zwei Zimmer bewohnbar waren."
Die Teilnehmer der ersten Proberunde bekamen auch bei Frank Marthe Überraschendes im Klink zu sehen. Bot schon die riesige Glasfassade im Hof einen bei Fachwerk untypischen Anblick, so waren dies auch die Reste einer Bohlenstube, die in einer Zwischendecke gefunden wurden. "Einst wurden diese als Wandschmuck in einzelnen Zimmern verwendet, hier haben wir sie wieder wie früher als Dekoration eingesetzt", erklärte Uli Schober vom Sanierer Qbator.
"Aus Lust und Freude" habe er die Sanierung zusammen mit der Familie fast im Alleingang bewältigt, berichtete wiederum Gerhard Knauer im Hoken von sieben Jahren Arbeit bis zur Fertigstellung, die inzwischen wiederum sieben Jahre zurück liegt. "Erst den Fachleuten auf die Finger geschaut, dann alles nachgemacht", war seine Arbeitsmethode. Die Gäste würden über die Ladenklappe an der Rückseite ebenso staunen wie über die unterschiedliche Fassadengestaltung. Während vorn eher der Stil des 19. Jahrhunderts vorherrscht, geht die Rückseite auf die Bauweise der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück. "Meine Tochter Ulrike war beim Bauen in ihrer Jugend so begeistert, dass sie inzwischen sogar Architektur studiert", beschreibt er sein individuelles "Lern-Labor Denkmal", womit er einen weiteren Teil des Projekts benennt.
Sinnvolle Bildungsangebote und Fachtagungen in Quedlinburg sollen Anregungen oder Lösungen für die Bewahrung des Erbes bringen, was bereits mit der Jugendbauhütte des Deutschen Fachwerkzentrums in der Goldstraße praktiziert wird.
Studenten entwickeln Ideen
In der Woche vor der Präsentation entwickelten Studenten der Bremer Hochschule für Architektur in der Stadt Ideen für Lückenbebauungen. "Es hat uns riesigen Spaß gemacht", fand Arne Winkel, der sich mit der Lücke Ecke Schmale Straße / Dovestraße befasste.
Ob es zur Umsetzung kommt, bleibt zunächst genauso offen, wie das Ergebnis des geplanten UNESCO-Managementplans, in dem die räumlichen und wirtschaftlichen Prioritäten zum Schutz und zur Weiterentwicklung des Weltkulturerbes gesetzt werden sollen. Auch wenn Brecht "keine Mammutprojekte" initiieren wollte, die bisherigen konkreten Ergebnisse kommen dem prägenden Motto "Weniger ist Zukunft" eher nahe.