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Zoff um „Gefälligkeitsding“ „Ich habe das Ding nicht angefasst, ich schwöre es“

60-Jähriger will ein Zweirad reparieren lassen - ohne Auftrag, ohne Rechnung. Dann ist es plötzlich weg - und wird nun zu einem Fall für das Amtsgericht.

23.04.2021, 14:00
Die Statue einer  Justizia steht neben einem Stapel Akten.
Die Statue einer Justizia steht neben einem Stapel Akten. Foto: DPA

Quedlinburg - Ist es nun ein E-Bike? Oder doch ein Moped? Um was es da eigentlich geht - so richtig klar wird das im Prozess vor dem Amtsgericht Quedlinburg nicht. Fakt aber ist: Mit dem Verschwinden dieses Fahrzeugs hat sich das Gericht an zwei Verhandlungstagen beschäftigt. Verantworten musste sich ein 41-jähriger gebürtiger Quedlinburger. Er soll das Fahrzeug im Wert von 500 Euro im Februar vergangenen Jahres von einem 60-Jährigen übergeben bekommen haben, um es in einer Lagerhalle in Gernrode zu reparieren. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, das Zweirad nicht zurückgegeben, sondern für sich behalten zu haben.

„Der Angeklagte bestreitet den Tatvorwurf“, sagte sein Verteidiger. Den Reparaturauftrag habe ein Kumpel bekommen, der Angeklagte mit dem Zweirad nichts zu tun gehabt, von dem ja noch nicht einmal klar wäre, was es denn gewesen sei. „Mein Mandant macht von seinem Schweigerecht Gebrauch“, so der Verteidiger weiter.

60-Jähriger bat häufig um kleine Gefälligkeiten

Der 41-Jährige aber dachte gar nicht daran. Aufgeregt, auf der Anklagebank zappelnd und mit sich immer wieder überschlagender Stimme berichtete er, dass der Kumpel und er in der Halle „Autos geschraubt“ und auch Alkohol getrunken hätten. Der 60-Jährige „hat ständig über den Zaun geguckt, der wollte laufend was repariert haben“, schilderte der Angeklagte. Einmal hätten sein Kumpel und er ein „klappriges Moped“ für den 60-Jährigen wieder in Ordnung gebracht. Mit einem E-Bike aber habe er nichts zu tun gehabt. „Ich habe das Ding nicht angefasst, ich schwöre es“, erklärte der Angeklagte.

Die Geschichte mit dem Moped bestätigte der 60-Jährige als Zeuge vor Gericht. Das Fahrzeug, um das es nun gehe – der Zeuge nannte es mal Moped, mal E-Bike – habe er von einem alten Mann erhalten, für den er Dienstleistungen im Wert von 600 Euro erbracht hätte. Bestätigen, sagte der 60-Jährige weiter, könnte der alte Mann das nicht; der Senior sei im vergangenen Jahr gestorben.

Weil er damals mit der Reparatur des Mopeds zufrieden gewesen sei, habe er den Anklagten gefragt, ob er auch das Bike gegen einen Obolus reparieren könne, berichtete der 60-Jährige weiter. „Wir haben uns auf 100 Euro geeinigt.“

Richterin Antje Schlüter hielt dem Zeugen seine in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft gemachten Angaben vor. Er berichte jetzt von vereinbarten 100 Euro, „warum steht dann im Schreiben an die Staatsanwaltschaft ,ein Betrag X?’“, hakte die Richterin nach. Und warum stehe in dem Schreiben, er habe das Fahrzeug „den beiden“ übergeben, während sich der Vorwurf nun allein gegen den Angeklagten richte? Der 60-Jährige erklärte: Der Kumpel des Angeklagten habe gesagt, er könne nichts dafür, dass das E-Bike weggekommen sei, dafür sei der Angeklagte verantwortlich.

„Es war ein Gefälligkeitsding“, stellte Antje Schlüter fest. „Es gab keinen Auftrag, es gab keine Rechnung“, sowohl bei dem Moped als auch bei dem zweiten Fahrzeug, für das der 60-Jährige auch keinen Eigentumsnachweis habe, erklärte die Richterin. Der 60-Jährige bot daraufhin an: „Wenn wir uns gütlich einigen, würde ich die Strafanzeige zurückziehen.“ „Das können Sie nicht“, machte die Richterin ihm deutlich. „Es ist Strafanzeige erstattet worden.“

Den Angeklagten hielt es währenddessen kaum auf seinem Platz, er zappelte, rutschte hin und her, regte sich auf, rief immer wieder dazwischen – bis der Richterin der Geduldsfaden riss: Sie rief einen Wachtmeister, der sich neben den Angeklagten setzte. Dieser verteidigte sich mit Blick auf den Zeugen: „Er hat gelogen wie gedruckt.“

„Ein abgerocktes Ding, es war nicht mehr das Schönste.“

Richterin Antje Schlüter hielt dem Zeugen seine in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft gemachten Angaben vor. Er berichte jetzt von vereinbarten 100 Euro, „warum steht dann im Schreiben an die Staatsanwaltschaft ,ein Betrag X?’“, hakte die Richterin nach. Und warum stehe in dem Schreiben, er habe das Fahrzeug „den beiden“ übergeben, während sich der Vorwurf nun allein gegen den Angeklagten richte? Der 60-Jährige erklärte: Der Kumpel des Angeklagten habe gesagt, er könne nichts dafür, dass das E-Bike weggekommen sei, dafür sei der Angeklagte verantwortlich.

„Es war ein Gefälligkeitsding“, stellte Antje Schlüter fest. „Es gab keinen Auftrag, es gab keine Rechnung“, sowohl bei dem Moped als auch bei dem zweiten Fahrzeug, für das der 60-Jährige auch keinen Eigentumsnachweis habe, erklärte die Richterin. Der 60-Jährige bot daraufhin an: „Wenn wir uns gütlich einigen, würde ich die Strafanzeige zurückziehen.“ „Das können Sie nicht“, machte die Richterin ihm deutlich. „Es ist Strafanzeige erstattet worden.“

Den Angeklagten hielt es währenddessen kaum auf seinem Platz, er zappelte, rutschte hin und her, regte sich auf, rief immer wieder dazwischen – bis der Richterin der Geduldsfaden riss: Sie rief einen Wachtmeister, der sich neben den Angeklagten setzte. Dieser verteidigte sich mit Blick auf den Zeugen: „Er hat gelogen wie gedruckt.“

„Ein abgerocktes Ding, es war nicht mehr das Schönste.“

Der Eigentümer der Halle konnte nichts zu dem Verschwinden des Fahrzeugs sagen – nur, dass er da mal einen Roller gesehen habe. „Ein abgerocktes Ding, es war nicht mehr das Schönste.“ Er benötige die Halle, um Sachen zu lagern, habe sich hier eine Werkstatt zum Schrauben eingerichtet, die auch der Angeklagte nutze. „Die Halle ist abgelegen, ich war froh, dass er da war“, so der Eigentümer.

Weil die Staatsanwältin auch den Kumpel des Angeklagten hören wollte, wurde die Verhandlung erst einmal vertagt.

Er habe das Fahrzeug zur Reparatur entgegengenommen, bestätigte der Kumpel dann am zweiten Verhandlungstag. Es habe in der Halle gestanden - und sei, während er einige Tage nicht dort gewesen sei, gestohlen worden. Dass der 60-Jährige den Angeklagten angezeigt habe, war für den Kumpel völlig unverständlich. Das Gericht sprach den Angeklagten frei. (mz/Petra Korn)